Junge Juristen probten im Saal 600 den Ernstfall

3.8.2015, 08:58 Uhr
Der Nachwuchs übt: Im Saal 600 durften Studenten aus 17 Ländern den Ernstfall proben.

© Edgar Pfrogner Der Nachwuchs übt: Im Saal 600 durften Studenten aus 17 Ländern den Ernstfall proben.

Ausgerechnet hier, im Schwurgerichtssaal 600, in dem mit den Nürnberger Prozessen die Grundsteine des modernen Völkerrechts gelegt wurden, üben sich die Studenten im internationalen Völkerrecht und sammeln erste Praxiserfahrung. Sie kommen aus Deutschland, dem Kosovo, aus Brasilien, Ruanda und den Niederlanden, aus Italien, Großbritannien, Malaysia und Kenia, den USA und der Ukraine.

Erste Amtssprache am Internationalen Gerichtshof ist Englisch, und so wird es auch beim "Moot Court", das so viel wie "fiktives Gericht" bedeutet, gehandhabt. Veranstaltet wird es von der IANP in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, ein mehrwöchiger Rechtskurs folgt als "Summer School". Die Teilnehmer, deren Heimatländer von Unruhen und Kriegen geplagt werden, sind als Stipendiaten der IANP in Nürnberg.

Hochdekorierte Richter in der Jury

Schon vor Wochen haben sie Schriftsätze abgegeben, und nun treten die jungen Männer und Frauen vor die hochkarätig besetzte Richterbank - die Richter bilden auch die Jury. Hier sitzt etwa Professor Wolfgang Schomburg, der 2001 als erster deutscher Richter an internationale Kriegsverbrechertribunale berufen wurde.

Die Teams treten im K.-o.-System gegeneinander an. Wer weiterkommt, bespricht sich mit den Kollegen, wer ausscheidet, hört zu. Als das Finale - die Niederlande gegen die Ukraine - beginnt, sitzen Schomburg, Richter-Kollege Nobuo Hayasahi aus Japan und Professor Christoph Safferling, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg, auf der Richterbank.

Der Fall: Es gilt, Frau Minsa, 45 Jahre, anzuklagen und zu verteidigen. Als leitende Angestellte hat sie von 2005 bis 2011 in der Hirnforschung gearbeitet, 2006 trat sie einer rechtsgerichtete Partei bei. Das Parteiprogramm schreibt ein Verbot religiöser Gottesdienste vor, führende Mitglieder einer religiösen Gruppe sollen beseitigt werden. Ihnen wird die katastrophale wirtschaftliche Lage "Arkanias" angelastet. 2010 gewinnt die Partei die Wahlen, Spezialeinsatzkräfte sollen die Gesellschaft von "minderwertigen Personen" und religiösen Gruppen "reinigen". Frau Minsa ist in der Forschungsgruppe, die tödliche Experimente mit Kranken durchführt.

Das Team der Universität Maastricht gewinnt, doch bemerkenswert ist, dass die zweiten Sieger aus der Ukraine kommen, ein Land, das die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs noch immer nicht voll anerkennt. Im Fall Minsa sind die Parallelen zur NS-Unrechtsherrschaft nicht zufällig. Immer wieder verweisen die Studenten auf Definitionen aus den Nürnberger Prozessen: Nicht nur Staaten, sondern jede Person, die ein völkerrechtliches Verbrechen begeht, könne dafür strafrechtlich verantwortlich gemacht werden.

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