Katerstimmung nach Rock im Park

4.6.2012, 20:00 Uhr
Katerstimmung nach Rock im Park

© Michael Matejka

Die drei Jungs sitzen einfach da, in ihrem Campingstuhl, mit Augenringen, die fast so dunkel sind wie ihre Kapuzenpullis, die sie über den Kopf gezogen haben. Sie schweigen, blicken vor sich hin, auf die Straße, als bräuchten sie noch Zeit, um Kraft zur Abreise zu finden. Heimwärts, wie all jene, die an ihnen vorübertappen, zum Parkplatz, zur U-Bahn, Koffer hinter sich herziehend, Leiterwägelchen oder gar eine Plastikplane, auf der Zelte, Schlafsäcke und Isomatten liegen.

Einige Tausend Festivalbesucher sind noch da am Montagmorgen, rund um den Dutzendteich. Nun aber ist es auch gut. Eine 19-Jährige: „War geil, aber jetzt will ich nur noch nach Hause, ins Bett.“ Nach Hause: nach Dresden, München oder Dortmund, gar nach London oder Barcelona.

Wie jedes Festival ist auch Rock im Park am Tag danach ein „Schlachtfeld“. Ob Große Straße, Volksfestplatz, Luitpoldhain: Das Gelände, das am Vorabend noch verheißungsvoll wirkte mit all seinem Trubel, ist jetzt nur noch ein trister Müllplatz, voller Dosen und Flaschen, Tüten und Beuteln. Es stehen Ledersessel, Sofas und Couchgarnituren herum, die keiner mitnehmen mag — die Gewissenhaftigkeit jenes Ulmers, der mit Toilettenpapier sein Zelt von großen Ketchupschlieren befreit, hat nicht jeder.

Grills bleiben zurück, Schlafsäcke, ein Eisschrank — und unzählige Flaschen. Was sich der eine oder die andere zunutze macht: Eine Frau schiebt einen Supermarkt-Einkaufswagen voll Pfandgut nach Hause. Ein Senior stopft davon gar säckeweise in seinen Kombi. Kleines Zubrot, sagt er und grinst.

Was er nicht weiß: Andere, die während der drei Party-Tage Flaschen „sammelten“, wurden wegen Diebstahls angezeigt. Die Polizei registriert das unter dem Titel „Leistungserschleichungen/Hausfriedensbrüche“. 44 Fälle gab es hier.

220 gefälschte Eintrittskarten

Ansonsten weist die Polizei-Bilanz aus: 499 Straftaten (279 im Vorjahr), darunter 142 Diebstähle. So wurden etwa zwei Männer (21 und 25 Jahre alt) erwischt, wie sie Zelte aufschlitzten.

Kontrolleure entdeckten 220 gefälschte Eintrittskarten. Es gab 43 Fälle von Körperverletzung oder Sachbeschädigung (Vorjahr: 29). Aus dem Rahmen fallen da natürlich die drei Musiker, die Sonntagnacht an der Alternastage erst mit dem Ordnungsdienst, danach mit der Polizei rangelten — um wen es sich handelte, wollte die Polizei nicht verraten.

Wie die Beamten hatten auch die Rettungsdienste diesmal mehr zu tun: Die Zahl ihrer Einsätze stieg um 20 Prozent. 3522 Mal war die Hilfe der „Sanis“ nötig (Vorjahr: 2943). 231 Verletzte wurden ins Krankenhaus gebracht (91 mehr als 2011). Darunter auch drei, die kein glückliches Händchen mit ihrem Grill hatten. So zog sich ein 25-Jähriger Verbrennungen am ganzen Körper zu, als er die Gaskartusche des Grills wechseln wollte.

Mehr Strafttaten, mehr Verletzte — dennoch ging es nicht rauer zu bei Rock im Park. Da auch die Besucherzahl gewachsen sei, sei der Anstieg nicht überproportional gewesen, heißt es vonseiten des BRK. Zudem: Gemessen an weit über 70000 Festivalbesuchern nimmt sich die Zahl „alkoholbedinger Einsätze“ bescheiden aus: 255.

Unter all jenen, die zu tief in die Flasche blickten, waren 18 nicht volljährig; vier waren keine 14 Jahre alt. Einsatzleiter Walter Meyer bilanziert: „Man kann nicht sagen, dass es ausartet.“ Und: Das Alkohol-Problem sei nicht größer geworden.
Das Festival hat aber nicht nur Freunde. So schimpft etwa eine NN-Leserin, die in Langwasser wohnt, über den Verkehrsstau, den Lärm („vorsätzliche Körperverletzung“) und den Dreck („alles voller Müll und Fäkalien“).

Natürlich hat das Festival Schattenseiten, natürlich ist es für manche eine Zumutung, das räumen auch Besucher ein, die es Montagmorgen nicht bis 10 Uhr geschafft haben, das Gelände zu räumen, wie es die Platzordnung an sich vorsieht. Zu diesem Zeitpunkt stehen noch reihenweise Zelte auf dem Campingplatz, in manchen wird noch geschlafen, vor anderen putzt man sich die Zähne oder frühstückt, was die Supermarkt-Tüten noch hergeben — die Crêperie Jakob hat ja zu, der Fritten-Kalle auch.

Dann aber ist es endgültig Zeit; denn es kommen die ersten von 240 „Saubermachern“ (50 mehr als im vergangenen Jahr), die bis Donnerstagvormittag Hunderte Tonnen Müll einsammeln.

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