Kinderpause schmälert Gehalt von Mitarbeiterinnen

26.10.2012, 05:00 Uhr
Kinderpause schmälert  Gehalt von Mitarbeiterinnen

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Alle vier Jahre machen sich die Wissenschaftler beim Statistischen Bundesamt die Mühe, eine Verdienststrukturerhebung zusammenzustellen. Für die Studie 2010 wurden 1,9 Millionen Beschäftigte in 32000 Betrieben befragt. Ergebnis: Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen liegt um 22 Prozent niedriger als der ihrer männlichen Kollegen. Besonders groß ist die Kluft in Führungsetagen und in Männerdomänen, wie etwa Technikerberufen.

„Nicht bei uns“, protestiert Sven Schmidt, Pressesprecher der Leoni AG: „Bei Leoni ist die Gleichbehandlung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur. Wir haben das Diskriminierungsverbot 2007 in einem Verhaltenskodex festgehalten, der auch alle anderen Werte und Anforderungen an ein verantwortungsbewusstes und integeres Verhalten im Konzern beschreibt.“

Tarifvertrag gilt

Auch Melanie Söllch, Chefin der Unternehmenskommunikation bei den Städtischen Werken Nürnberg, kann sich das nicht vorstellen. Bei den Städtischen Werken, bei N-Ergie und VAG seien die Branchentarifverträge Nahverkehr und Versorgungsbetriebe Grundlage der Bezahlung.

Firmensprecherin Söllch erklärt: „Diese orientieren sich an den Stellenanforderungen und den daraus abgeleiteten Stellenbewertungen.“ Und das bedeute: gleiche Anforderungen, gleiche Bezahlung.

Peter M. Endres, Vorstandschef beim Direktversicherer Ergo direkt, versichert: „Wir machen sowohl bei Einstiegsgehältern als auch bei der Gehaltsentwicklung keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen.“ Endres gesteht jedoch ein: „Es kann allerdings vorkommen, dass Frauen in gleichen Positionen weniger verdienen als Männer.“

Der mögliche Grund: Mütter unterbrechen ihre Karriere und somit die Gehaltsentwicklung durch die Elternzeit, während die männlichen Kollegen in dieser Zeit ihre Gehaltsentwicklung fortsetzen.

Endres Aussagen decken sich mit den statistischen Angaben des Bundesamts. Denn die neue Statistik legt den Schluss nahe, dass sich die Erwerbsbiografien von Männern und Frauen erst mit zunehmendem Alter und den nächsten Karriereschritten auseinanderentwickeln. So gibt es bei Berufseinsteigern bis 24 Jahre mit zwei Prozent kaum Gehaltsabweichungen. Bei Beschäftigen bis zum Alter von 34 Jahren liegt der Unterschied bereits bei elf Prozent, und weitere zehn Jahre später hat er sich auf 24 Prozent mehr als verdoppelt.

Als wichtigen Grund für die Einkommensunterschiede führen die Statistiker unter anderem schlechtere Einkommensmöglichkeiten in frauendominierten Branchen wie Soziales und Pflege sowie häufige Teilzeittätigkeiten der Frauen an. In Führungspositionen können sich zudem Pausen zur Kindererziehung negativ auf das Gehalt auswirken.

Besser als Österreich

Eigentlich machen immer weniger Frauen bei der Ungleichbehandlung mit. Leoni-Sprecher Schmidt erklärt: „Wir stellen fest, dass sich die Gehaltsvorstellungen von weiblichen und männlichen Bewerbern angeglichen haben. Das gilt ganz besonders für Führungspositionen.“ Nach seinen Angaben liegt der Frauenanteil insgesamt in der Konzernzentrale von Leoni in Nürnberg bei 40 Prozent.

Im europäischen Vergleich gehört Deutschland mit den neuen Zahlen zur Gleichbezahlung weiter zu den Schlusslichtern. Nur Österreich und Tschechien verzeichnen noch größere Gehaltslücken zwischen Mann und Frau. Nach vorläufigen Zahlen liegt der EU-Durchschnittswert bei gut 16 Prozent. Um gegenzusteuern, verlangen Kritiker schon seit längerem, die Berichtspflichten für Unternehmen zur Gehältergerechtigkeit zu verschärfen und Betriebe ab einer bestimmten Größe zu entsprechenden Analysen und mehr Transparenz zu bewegen. Auch durch eine Novelle des Antidiskriminierungsgesetzes könnte Abhilfe geschaffen werden.

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