Kleines Kunsthandwerk ganz groß

11.11.2017, 17:00 Uhr
Kleines Kunsthandwerk ganz groß

© Fotos: Roland Fengler

Mal ganz ehrlich: Wann haben Sie zuletzt mit Fingerhut genäht? Vermutlich schon länger her – Sticken und Strümpfestopfen sind derzeit ziemlich aus der Mode. Dabei waren Fingerhüte mal nicht nur ein täglich gebrauchtes, wichtiges Utensil in praktisch allen Kulturen rund um die Welt, sondern auch Wertobjekte oder schmucke Gaben von Liebhabern. Irmgard Edle von Traitteur kann darüber etliche Geschichten erzählen.

Die Nürnbergerin hat zeitlebens genäht. "Ich habe schon als Kind meine Puppen eingekleidet", erzählt die 91-Jährige. Als sie jung verwitwet war, bildete ihr Können die Basis für ihren Lebensunterhalt: Anfang der 50er-Jahre eröffnete sie ein Atelier für Kindermode.

Durch ihre Heirat mit Karlheinz Ritter von Traitteur, dem Oberbürgermeister von Forchheim, begann für sie ein neues Leben: Sie ging für die CDU in die Landespolitik und reiste viel. "Eine Reise in die USA und nach Mexiko war der Beginn meiner Sammlung", erzählt die fitte alte Dame. Dort begegnete sie einer Frau, die leidenschaftlich Knöpfe sammelte, und versprach ihr, auch zuhause für sie nach Fundstücken zu schauen. Daraus wurde nichts: In der mexikanischen Silberstadt Tasco traf sie auf einen silbernen Fingerhut, und ihre Leidenschaft war geweckt.

Kleines Kunsthandwerk ganz groß

"Ich war immer auf der Jagd", erzählt die inzwischen längst zur Fachfrau avancierte Seniorin. Rund um die Welt waren Fingerhüte im Einsatz, ihre ältesten Stücke stammen aus Mesopotamien und aus dem Rom des 2. Jahrhunderts, es gibt byzanthinische und maurische Fingerhüte, Handschmuck von turkmenischen Nomadenstämmen, der Armreif, Fingerring und Fingerhut mit Ketten verbindet, oder Schmuck-Nessessaires mit winzigen Näh- und Pflegeutensilien. Und natürlich Exemplare aus Nürnberger Herstellung.

Wenig bekannt ist nämlich, dass die Stadt zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert eine Hochburg der "Fingerhuter" war. "Ihre Kunst wurde zum ,gesperreten Handwerk’ erklärt, die Meister durften keinen Austausch mit anderen Regionen pflegen, um die Technik zu schützen, und waren dadurch zunächst konkurrenzlos", erläutert Ludwig Sichelstiel von den Museen Nürnberg. Dadurch gelangten aber technische Weiterentwicklungen auch nicht zu ihnen, die Herstellung kam zum Erliegen.

Vorerst bekam die Presse nur einen winzigen Teil der rund 2000 Sammlerstücke von Irmgard von Traitteur zu sehen. Erst Mitte nächsten Jahres soll der Schatz, den sie der Stadt geschenkt hat, im Fembohaus ausgestellt werden. Davor befassen sich Sichelstiel und seine Mitarbeiter auch mit den akribisch geführten und gezeichneten Katalog-Einträgen, die von Traitteur mitgeliefert hat. Die Sammlerin trennt sich nun, glücklich über den neuen Platz im Museum, von ihren Fingerhüten. "Die Wehmut ist eigentlich ganz klein."

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