"Abwrackgesetz": Klinikpersonal demonstriert gegen Reformen

23.9.2015, 16:21 Uhr
Viele hundert Menschen beteiligten sich am Demonstrationszug in Nürnberg.

© Günter Distler Viele hundert Menschen beteiligten sich am Demonstrationszug in Nürnberg.

Eigentlich sollte die Krankenhausreform die Qualität der Behandlung verbessern. Doch Ärzte, Pflegerinnen und Verwaltungspersonal sind vom Gegenteil überzeugt. Deshalb sind jetzt in Nürnberg 2500 von ihnen auf die Straße gegangen.

"Krankenhausreform? So nicht!", skandierten die Demonstranten, während sie vom Opernhaus über den Bahnhofsplatz zur Kundgebung am Kornmarkt marschierten. Es war die größte von 70 zeitgleichen Veranstaltungen in Bayern. In Augsburg versammelten sich rund 1000 Protestierende, in Regensburg waren es 900.

Alleine aus Fürth machten sich rund 300 Mitarbeiter des Klinikums auf den Weg zur Kundgebung nach Nürnberg.

Alleine aus Fürth machten sich rund 300 Mitarbeiter des Klinikums auf den Weg zur Kundgebung nach Nürnberg. © Michael Müller

Ab 1. Januar 2016 soll das sogenannte Krankenhausstrukturgesetz in Kraft treten. Damit sollen Kliniken für gute Leistungen belohnt werden, für schlechte Behandlungen gibt es Abzüge. Unnötige Operationen sollen vermieden werden. Zudem soll die Pflege am Krankenbett wieder ausgebaut werden. Dazu stehen von 2016 bis 2018 insgesamt 660 Millionen Euro für neue Pflegestellen in den Krankenhäusern zur Verfügung.

Negative Folgen?

Die Klinik-Vorstände befürchten aber vor allem, dass sie weniger Geld für Pflegepersonal bekommen, für Mehrleistungen bestraft werden, sich der Investitionsstau noch mehr verschärft und weiterhin auf den hohen Kosten für die Notfallversorgung sitzen bleiben.

Denn nach Ansicht des Geschäftsführers der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Siegfried Hasenbein, bringt die Reform zwar "punktuelle Verbesserungen" für die Kliniken. "Die Belastungen werden diese Verbesserungen aber um ein Vielfaches übersteigen", warnte er.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will mit seiner Reform die Qualität in den Krankenhäusern stärken.

Einige Mitarbeiter der Kliniken des Landkreises Neustadt/Aisch-Bad Windsheim und Fürth nahmen auch an der Protestkundgebung am Brandenburger Tor in Berlin teil. Bei der Abschlusskundgebung dazu haben Nürnbergs Oberbürgermeister und Präsident des Bayerischen Städtetages, Ulrich Maly, sowie der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Siegfried Hasenbein, der geplanten Reform eine deutliche Absage erteilten.

Weitere Stimmen zur Reform:

Alfred Estelmann (Vorstand Klinikum Nürnberg): "Die Reform gibt vor, die Qualität zu verbessern. Sie ist aber ein Abwrackgesetz, das zu einer weiteren Leistungsverdichtung führt. Die Mitarbeiter müssen künftig noch schneller laufen."

"Für ein Kind, das mit Fieber in die Notaufnahme kommt, dann aber keine weitere Behandlung braucht, so dass wir die Mutter beruhigt und mit ein paar Ratschlägen nach Hause schicken können, bekommen wir gerade mal 3,83 Euro. Dafür bekommt man gerade mal Drei im Weckla, kann aber keine Kraft an der Anmeldung, eine Krankenschwester und einen Arzt bezahlen."

Jürgen Winter (Vorstand Klinikum Altmühlfranken): "Das Pflegestellenförderprogramm ist eine Mogelpackung. Gleichzeitig wird der Versorgungszuschlag ab 2017 gestrichen. Am Klinikum Altmühlfranken fallen dadurch 7,5 Vollzeitstellen in der Pflege weg - und durch das Förderprogramm können wir nur drei oder vier neue schaffen."

Klaus Fischer (Verwaltungsdirektor Gesundheit der Diakonie Neuendettelsau): "Das ist ein knallhartes Spargesetz. Wir haben ohnehin schon seit Jahren eine chronische Unterfinanzierung."

Heidemarie Lux (Vizepräsidentin der Bayerischen Landesärztekammer): "Die Arbeit im Krankenhaus wird immer unattraktiver. Wie soll ich Qualität mit immer weniger Personal erbringen? Die Infektionen auf Intensivstationen sind durch Personalmangel entstanden."

Ulrich Maly (Nürnberger Oberbürgermeister und Vorsitzender des Verwaltungsrat des Klinikums Nürnberg): "Die Pflege ist das menschliche Bild der Medizin. Beziehungsarbeit geht nicht ohne Menschen. Das Personal sollte noch ausgebaut werden. [...] Die eine Million Neubürger, die Flüchtlinge, können ja auch mal krank werden. Jeder Flüchtling ist schon jetzt ein potenzieller Mehrleistungsabschlag. Das darf nicht sein."

Dieser Artikel wurde am Mittwoch, 23. September, um 16.19 Uhr aktualisiert.

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