Konsole statt Pelz: Das Pfandgeschäft ist im Wandel

28.8.2014, 05:58 Uhr
Konsole statt Pelz: Das Pfandgeschäft ist im Wandel

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Geld für die Stromrechnung oder einen Familienausflug sind Klassiker, die Menschen in ein Pfandhaus führen, sagt Shadi Banki, Geschäftsführer des Leihhauses Banki. Anders als so mancher Mitbewerber hat sich das 1986 gegründete Pfandhaus nahe dem Nürnberger Hauptbahnhof nicht auf bestimmte Wertgegenstände spezialisiert. „Sie können bei uns alles beleihen, was wir im Falle einer Nichtabholung wieder verkaufen können“, erklärt Banki.

Brachten Kunden früher oft Musikinstrumente, Werkzeuge und Pelzmäntel ins Pfandhaus, sind es heute Louis-Vuitton-Taschen, Spielkonsolen oder Flachbildfernseher. Mit 80 bis 85 Prozent das Gros der Pfandgegenstände machen aber nach wie vor Schmuck und Uhren aus.

Sich auf wertstabile Pfänder zu fixieren, findet Banki trotzdem nicht gut. „Sie haben als Leihhaus auch eine soziale Verantwortung.“ Er weiß, dass zu ihm oft Frauen und Männer den Weg finden, die ihr niedriges bis mittleres Einkommen komplett ausgegeben, den Kreditrahmen voll ausgeschöpft haben. „Wenn dann etwas Unvorhergesehenes passiert, haben diese Menschen keinen Spielraum mehr.“

Nach dem Rosenkrieg

In solchen Notlagen kommt das Prinzip der Pfandkredite voll zum Tragen: Kunden müssen keiner Bonitätsprüfung standhalten, als einzige Sicherheit dienen die abgegebenen Wertsachen. Nach deren Schätzung wird ihr aktueller Gegenwert ausbezahlt, bei Abholung der Pfänder werden Zinsen und eine Bearbeitungsgebühr fällig. Wie hoch die maximal sein dürfen, ist in der Pfandleiherverordnung festgeschrieben und bemisst sich nach der Höhe des gewährten Darlehens.

Für einen Pfandkredit von 100 Euro dürfen beispielsweise höchstens 3,50 Euro pro Monat berechnet werden, ein Darlehen von 300 Euro darf maximal 9,50 Euro im Monat kosten. Was auf den ersten Blick gar nicht so teuer erscheint, entspricht hochgerechnet aufs Jahr Zinssätzen von 42 respektive 38 Prozent. Im Schnitt lösen Kunden bei Banki deshalb ihr Pfand auch nach zwei bis drei Monaten aus. Nur circa sieben Prozent der Wertsachen würden nicht mehr abgeholt.

„Pfandkredite sind typische Kurzzeitkredite“, konstatiert Banki. Für so manche Klientel seien sie die einzige Möglichkeit, überhaupt noch an Geld zu kommen. Da zur Ausstellung eines Pfandscheins stets ein Ausweisdokument vorgelegt werden müsse, werde ihm nur selten Diebesgut angeboten.

Immer wieder kommen dagegen Frauen, die zum Beispiel die Münzsammlung oder Lieblingsuhr ihres Partners beleihen, wenn dieser sie betrogen hat, oder Männer, die kurz vor der Scheidung den Schmuck ihrer Ehefrau zu Geld machen. Betroffene können dann nicht einfach die Herausgabe ihres Besitzes erreichen, weil der Pfandschein auf den Partner läuft.

Trotz solcher Erlebnisse liebt Shadi Banki seine Arbeit. „Für mich ist es der schönste Beruf, weil er so abwechslungsreich ist. Sie gehen jeden Tag in den Laden und fragen sich: Was bekomme ich heute gezeigt?“

Dass es schwer ist, Wertgegenstände unterschiedlichster Natur richtig zu schätzen und Fälschungen zu entlarven, liegt auf der Hand. In Pfandhäusern arbeiten deshalb oft Uhrmacher, Gold- und Silberschmiede, also Spezialisten auf einem Gebiet, die sich aber im Laufe ihrer Tätigkeit Zusatzwissen über die anderen Faustpfänder angeeignet haben. Banki selbst ist Diamantgutachter.

Gute Beziehungen

Längst hat er ein Gefühl für Plagiate entwickelt. „Das ist wie bei einem Schuster, der blind gutes Leder von schlechtem unterscheiden kann“, vergleicht der Geschäftsführer. Bis man als Pfandverleiher so weit sei, bedürfe es einer intensiven Beschäftigung mit der Materie und genauen Vergleichens. „Sie brauchen gute Beziehungen zu den Fachgeschäften, die ihnen die Unterschiede zeigen“, sagt Banki.

Im ältesten Pfandhaus der Stadt, dem Leihhaus Nürnberg am Unschlittplatz (1618), stellt man sich diesen Herausforderungen schon seit Jahren nicht mehr. „Wir hatten in den Versteigerungen zum Beispiel immer wieder Elektronikgeräte, die scheinbar funktionierten, dann aber nach einer halben Stunde ausfielen“, berichtet Armin Hillebrand, einer der Geschäftsführer. Auch seien die Produktzyklen in dem Bereich viel kürzer geworden. Insbesondere wenn Kunden ihren Kredit verlängern, etwa auf sieben oder acht Monate, ist der in der Zeit entstandene Wertverlust von Mobiltelefon, Digitalkamera und Co. zu groß, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

Manchen Neukunden mag die Spezialisierung auf Edelmetalle, Schmuck und Uhren abschrecken, mutmaßt Hillebrand. Um am Puls der Zeit zu sein, hat sich das Leihhaus deshalb etwas einfallen lassen: eine Online-Bewertung. Wie beim ersten deutschen Internet-Pfandhaus i-Pfand können Kunden jetzt ihre Wertgegenstände auch auf der Homepage des Leihhauses Nürnberg anbieten und, sofern dieses Interesse bekundet, kostenlos abholen und beleihen lassen.

„Auch im Pfandbereich werden sich in zehn Jahren Online-Angebote durchgesetzt haben“, ist Hillebrand überzeugt. „Um das Feld nicht anderen zu überlassen, muss man präsent sein.“ Die Kundenfrequenz im Leihhaus hänge stark von den aktuellen Verhältnissen an den Edelmetallmärkten ab, berichtet der Geschäftsführer. Die Zinsentwicklung spiele dagegen keine Rolle. „Viele unserer Kunden bekommen bei herkömmlichen Banken eben keinen Kredit mehr.“

Kredite über 620 Millionen Euro

Mit einem Vergabevolumen von 620 Millionen Euro im Jahr sind die deutschen Pfandhäuser durchaus ein Faktor im Kreditwesen. Aber: „Sie müssen dem Kunden einerseits so viel Geld wie möglich geben, andererseits aber so wenig, dass der Anreiz bleibt, die Ware wieder abzuholen“, sagt Shadi Banki. Denn die nach einer Nichtabholung vorgeschriebene Versteigerung der Pfänder sei bloß mit zusätzlichem Aufwand und Kosten verbunden — wie auch ein anschließender Verkauf, wenn die Sachen nicht versteigert werden konnten.

Pfandleiher verdienen allein an Zinsen und Bearbeitungsgebühren. Etwaige erzielte Gewinne bei Versteigerung und Verkauf stehen dem Kunden zu. Hole dieser den Überschuss nicht ab, falle das Geld nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht etwa ans Leihhaus, sondern an die Stadt, betont Banki. Deshalb appelliere er einmal im Jahr in einer Zeitungsanzeige an seine Kunden, Überschüsse abzuholen. Viele Schuldner verzichten, wohl aus Unwissenheit, trotzdem darauf.

Nicht nur die abgegebenen Pfänder, sondern auch die Sicherheitsvorkehrungen haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Banki: „Die Versicherung schreibt uns zum Beispiel eine biometrische Schleuse mit Gewichts- und Fingerabdruckscanner zum Tresorraum vor“, berichtet der Unternehmer. So werde gewährleistet, dass Angestellte weder mit Wertgegenständen bepackt aus dem Tresorraum kommen, noch dass sie andere Personen mit hineinnehmen können.

23 dezent angebrachte Überwachungskameras, elektronische Schlösser mit Codes und Schlüssel und schussfeste Panzerglasscheiben sind weitere Maßnahmen, zählt Banki auf. Seine derzeit zwölf Mitarbeiter seien mindestens fünf Jahre und länger bei ihm. „Es ist wichtig für die Kunden, konstante Ansprechpartner zu haben, denen sie vertrauen“, resümiert der Gutachter, der auch formelle Schätzungen für Anwälte und Nachlassgerichte vornimmt.

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