Lanmo findet die Liebe

NÜRNBERG - Schlangen brauchen dringend einen Imagewechsel! Findet zumindest A. L. Kennedy. Die schottische Autorin, deren Roman „Gleißendes Glück“ gerade verfilmt worden ist, hat mit „Leises Schlängeln“ eine zauberhafte kleine Erzählung vorgelegt.

In einem unbekannten Land vor gar nicht allzu langer Zeit, aber wohl vor der Geburt des Lesers, lebte Mary. Das Mädchen hat ein großes Herz, doch die Stadt, in der sie wohnt, wird von Menschen regiert, die leider keine Menschen mögen. Sie haben luxuriöse Wohnungen in riesigen Türmen, während das Fußvolk sein Dasein in nassen und düsteren Behausungen fristen muss.

Klingt überspitzt, kommt einem aber irgendwie bekannt vor. Solche und ähnliche Anspielungen auf Politik und Gesellschaft sind in „Leises Schlängeln“ natürlich nicht rein zufällig, aber auch niemals aufdringlich oder belehrend. Ja, Mary lebt in einer Welt, die zunehmend kälter und grauer wird und das führt so weit, dass sie und ihre Familie sogar flüchten müssen. Doch vor diesem Hintergrund entwirft die schottische Autorin und Heinrich-Heine-Preisträgerin 2016 A. L. Kennedy (Jahrgang 1965) ein vor — im doppelten Wortsinn fantastischen — Einfällen nur so sprudelndes Märchen für Erwachsene.

Sympathische Schlange

Eines Tages trifft Mary in ihrem winzigen Garten eine sprechende Schlange. Sie tauft sie Lanmo. Der ist zwar giftig und wenn es an der Zeit ist, bringt er den Tod – aber ansonsten ist der güldene Zeitgenosse eigentlich ein ziemlich netter Kerl und gar nicht so verschlagen, hinterhältig und überhaupt ein Symbol für die Ursünde, wie man gemeinhin so denkt in unserem Kulturkreis.

Und obwohl Mary ein Mensch und Lanmo ein Tier ist und obwohl der eine sich oft schwer tut, den anderen zu verstehen, werden die beiden Freunde. Mehr noch: Lanmo entdeckt dieses seltsame Ding namens Liebe.

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Wie die weise Schlange ihre Freundin Mary bis ans Ende ihres Lebens begleitet, wie sie sich Gedanken über die Spezies Mensch macht („Wie schade, dass viele von ihnen so dumm waren“), wie sie Kurioses und Urkomisches erlebt — das ist witzig, poetisch und anrührend zu lesen. Wunderbar gestaltet ist das Buch mit den Zeichnungen von David Böhm obendrein. Ein feines Weihnachtsgeschenk für Menschen mit Herz und solche, die es werden wollen.

 A. L. Kennedy: Leises Schlängeln. Erzählung, aus dem Englischen von Ingo Herzke. Karl Rauch Verlag, Düsseldorf, 122 Seiten, 18. Euro.