Malerei oder Multivision: Bürger entscheiden über Rathaussaal

24.5.2014, 18:20 Uhr
Die Bürger dürfen über die Zukunft des Rathaussaales entscheiden.

© Eduard Weigert Die Bürger dürfen über die Zukunft des Rathaussaales entscheiden.

Die Altstadtfreunde: Der Rathaussaal ist die "Herzkammer" der Stadt. Jahr für Jahr bewundern ihn über 100.000 Besucher. Wenn man Gäste hat, führt man sie stolz in den Saal und zeigt, welche Pracht dort wieder entstanden ist. Praktisch jede Stadtführung bezieht den Saal mit ein. Jedes Kind besucht ihn mindestens einmal während seiner Schulzeit. All das gilt natürlich nicht für den Nürnberger Rathaussaal, sondern für den Goldenen Saal in Augsburg. Wie in Nürnberg standen dort nach Kriegsende nur noch die ausgebrannten Außenmauern. Seit dem Abschluss des Wiederaufbaus 1996 mit voller Ausmalung ist er ein Besuchermagnet.

Den Rathaussaal in unserer Stadt besucht dagegen kaum jemand. Wie auch, ist er doch außer bei Veranstaltungen und seltenen Führungen verschlossen. Stattdessen werden die Besucher auf die Lochgefängnisse verwiesen. Sicher, der Saal hat seine eigene Ästhetik und funktioniert gut bei Empfängen oder Konzerten. Ansonsten wird er von den Nürnbergern und den auswärtigen Besuchern ignoriert. Ohne Gestaltung der Wände wird das so bleiben.

Vor seiner Zerstörung faszinierte der von Dürer 1521 vollständig entworfene Saal die Gäste, auch wenn er im Laufe der Jahrhunderte Veränderungen erfahren hatte. Es ist jedoch unbestritten, dass Dürers Bildprogramm auf der Nordwand noch sichtbar war. Und dieses ist mittels der vorhandenen Dokumente wiederherstellbar.

Beim Wiederaufbau des Saals in den 1980er Jahren orientierte man sich am historischen Zustand. Es fehlt nur noch der letzte Schritt, die Ausmalung. Niemand würde heute dafür plädieren, hätte man sich damals für einen modernen Saal entschieden. Auf der Kaiserburg hat Staatsminister Söder gezeigt, wie man einen lange vernachlässigten Ort aus dem Dornröschenschlaf erwecken kann. Das historische Herz der Bürgergesellschaft war jedoch nie die Burg, sondern das Rathaus. Die angedachte Bildungsachse zwischen diesen beiden Polen der Stadtgeschichte ist sinnvoll, wird aber ohne Vollendung des Rathaussaals nicht funktionieren.

Es war richtig, dass die Stadt in den letzten Jahren in die Orte der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus investiert hat. Es braucht aber auch Räume, auf die die Bürger stolz sein können. Die "Gute Stube" der Stadt, in der man Dürers größtes Werk - trotz aller Brüche - sinnlich erfahren kann, ist der bestgeeignete Ort. Sollte die Vollendung des Saals beim zweiten Anlauf nach 1989 scheitern, hat Nürnberg eine große Chance vertan.

Die Stadt: Die große Mehrheit des Stadtrats ist gemeinsam mit führenden Dürer-Experten und Denkmalpflegern der Ansicht, dass Dürers Erbe unwiederbringlich verloren ist und lehnt eine Neu-Ausmalung ab. Alternativ hat sie ein neues, mehrsprachiges Informationssystem vorgeschlagen.

Warum lehnt der Stadtrat eine Neubemalung ab? Erstens: Dürer ist nicht mehr herstellbar. Der Wunsch nach Dürers Bildprogramm im Rathaus wird nie mehr realisiert werden können. Es gibt keinerlei Überlieferung, wie die originale Bemalung Albrecht Dürers ausgesehen hat. Bereits 100 Jahre nach Dürers Bemalung wurde der Saal komplett renoviert, übermalt, die Westwand abgebrochen und neu gebaut, der "Pfeiferstuhl" abgebrochen sowie der ganze Saal um einige Meter verlängert.

Zweitens: Die Neuausmalung wäre eine Kopie der Übermalung der Übermalung. Die Forderung, den Saal im Zustand von 1904/05 wieder neu zu bemalen, entstand aus der Tatsache, dass dieser 1944 fotografisch dokumentiert wurde, wenn auch teils unscharf, nicht komplett und auch nicht farbecht. Die Bilder zeigen als Ergebnis der vielen Bearbeitungen eine Kopie der Übermalung der Übermalung, deren Qualität nach Expertenmeinung keine Vorlage für eine Neuausmalung sein kann.

Die Stadt Nürnberg hat als Alternative zur Wiederausmalung ein neues, mehrsprachiges Informationssystem vorgeschlagen, das die ganze 700-jährige Geschichte des Rathauses mit Bildern, Texten, Filmen und Grafiken anschaulich darstellen möchte. Ziel ist es, so auch herausragende Ereignisse von europäischer Bedeutung wie zum Beispiel das Friedensmahl zum Ende des 30-jährigen Kriegs zu thematisieren. Damit wird das Rathaus für die Bürgerschaft wie die Touristen museal erschlossen und öffentlich zugänglich sein. Zudem sollen temporäre Veranstaltungen wie beispielsweise die Multivision weiter im Rathaussaal stattfinden können und Geschichte anschaulich vermitteln helfen.

Die Wandmalerei Dürers ist unwiederbringlich verloren. Doch im Saal befinden sich noch originale Malereireste sowie Steinreliefs. Die Stadt möchte dieses historische Erbe retten und in neuem Glanz erstrahlen lassen. Die Kosten für eine Ausmalung des Historischen Rathaussaals nach dem Vorschlag der Altstadtfreunde schätzt die Stadt Nürnberg auf circa 6,5 bis 9 Millionen Euro, je nach künstlerischer Qualität. Der Kostenrahmen für das Konzept der Stadtverwaltung liegt bei 1,5 Millionen Euro.

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