Neuer Anlauf zur Schließung der Lagune

24.6.2015, 20:16 Uhr

„Nürnberger Tiergartendirektor Dag Encke der Lüge überführt“, unter dieser Überschrift hat Ortmüller gestern einen Bericht an die Medien verbreitet, darunter steht: „Psychopharmaka nicht nur bei Appetitlosigkeit“. Das Ganze ist aufgemacht wie eine Agenturmeldung, etwa von der Deutschen Presseagentur, und lief über das Presseportal Journal Society GmbH von Ortmüllers Ehefrau Jeanette.

In der Mitteilung heißt es, dass Tiergartenverantwortliche immer behauptet hätten, den Delfinen seien nur bei Appetitlosigkeit oder bei Transporten Psychopharmaka und Antidepressiva verabreicht worden. Nach Akteneinsicht bei der Regierung von Mittelfranken stelle sich die Sache dem WDSF jedoch anders dar. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sei bei einer arzneimittelrechtlichen Kontrolle zu dem Ergebnis gekommen, die Delfine Joker und Arnie hätten über ein Jahr lang fast durchwegs solche Medikamente bekommen, ohne dass sie krank gewesen seien. Man gehe davon aus, dass die Arzneimittel zur Behandlung von Angstzuständen oder Aggressionen eingesetzt worden seien. Das gelte auch für die Delfinweibchen Sunny und Jenny.

Tiergartendirektor Dag Encke bestätigt, dass im August 2012 zwölf Kontrolleure von der Regierung Mittelfrankens, dem LGL und dem Nürnberger Veterinäramt in der Delfinlagune waren und einen wie von Ortmüller geschilderten Bericht darüber abgefasst hätten.

Der Tiergarten habe sich jedoch dagegen verwahrt und begründet, warum man so gehandelt hatte: Die beiden Delfinbullen Arnie und Joker sind Brüder, die 2008 nach Nürnberg kamen. Ihr früheres Zuhause, der Heidepark Soltau, war geschlossen worden, für die Tiere wurde ein Platz gesucht. Bald stellte sich aber heraus: Die beiden sind keine guten Freunde, sie gerieten immer wieder in Streit. Man benötigte lange Verhandlungen, bevor Joker, der ja nicht dem Tiergarten gehört, abgegeben werden konnte. Bis dahin wurden Arnie und Joker mit Arzneien beruhigt, weil sie Stress ausgesetzt waren, dem sie aufgrund der Unterbringung in der Lagune nicht entgehen konnten. „Social calming“ lautet der Fachbegriff dafür, erläutert Encke. Diesen Vorgang hat der Zoochef im Mai 2013 auch bei einer öffentlichen Anhörung zur Haltung von Delfinen im Bundestagsausschuss vorgetragen; die Erklärung wurde dort akzeptiert.

Laut Encke wurde die erste Stellungnahme der Kontrolleure ebenfalls korrigiert, nachdem der Tiergarten seine Vorgehensweise in einer Dokumentation erläutert hatte: „Die Vorwürfe wurden darin richtiggestellt, nach einer klärenden Sitzung zurückgenommen und als Missverständnis nicht aktenkundig.“ Die Amtsveterinäre hätten den Zoomitarbeitern danach eine Anleitung gegeben, wie sie künftig solche Medikamentengaben zu dokumentieren haben. Daran halte man sich seitdem am Schmausenbuck.

Encke räumt ein, dass die Großen Tümmler des Tiergartens während der Bauphase der Lagune Beruhigungsmittel bekommen hätten, um sie vor Stress durch Baulärm und Baustellenfahrzeuge zu schützen. Auch Sunny habe nach der Geburt von Nami Diazepam erhalten. „Sie wollte zur Delfingruppe zurück“, so Encke, sollte aber vorerst mit ihrem Baby allein schwimmen, um den Nachwuchs nicht zu gefährden. Der Vorgang sei jedoch schon Ende vergangenen Jahres bekannt gemacht worden – Encke kann in diesem Vorhalt von Ortmüller keinerlei Neuigkeitswert erkennen.

Wer steckt hinter dem WDSF? Es wurde 2007 in Berlin von Jürgen Ortmüller mit Hilfe des früheren Flipper-Trainers und jetzigen Delfinschutzaktivisten Richard O’Barry gegründet und hat seinen Sitz in Hagen. Es soll dem Schutz von Walen und Delfinen in ihren natürlichen Lebensräumen dienen und geht gegen die Haltung in Delfinarien vor. Ortmüller, von Beruf Steuerberater, ist „Gesellschafter-Geschäftsführer“. Auf der Homepage ist zu lesen, das WDSF sei keine Mitglieder-Organisation, weil deren Verwaltung erhebliche Kosten verursachen würde. Gleichwohl könne jeder WDSF-Fördermitglied werden. Und Ortmüller ruft zu Spenden auf, um die Kosten für die Aktivitäten des WDSF zu decken.

 

"Die Vorwürfe wurden richtiggestellt, nach einer klärenden Sitzung zurückgenommen und als Missverständnis nicht aktenkundig."

 Dag Encke, Tiergartendirektor

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