NorisBike am Ende: Verträge mit der Stadt gekündigt

26.10.2016, 06:00 Uhr
NorisBike am Ende: Verträge mit der Stadt gekündigt

© Michael Matejka

30.000 Fahrräder in 18 Ländern auf vier Kontinenten. Laut Eigenwerbung ist der Leipziger NorisBike-Betreiber Nextbike auf der Erfolgsspur unterwegs. Nur nicht in Nürnberg, der Stadt, die sich seit 2013 offiziell "fahrradfreundlich" nennen darf. Wurden vor drei Jahren noch 325 Räder am Tag ausgeliehen, dümpelt die Quote heute bei durchschnittlich 73 Ausleihen vor sich hin.

Was läuft schief? Da gehen die Meinungen meilenweit auseinander. "Für uns ist das wirtschaftlich nicht mehr machbar", sagt NextBike-Sprecherin Mareike Rauchhaus auf Anfrage. Man wolle in Nürnberg gerne weiter präsent sein. Doch nur mit günstigeren Verträgen. Man müsse den eigenen Investoren ständig erklären, warum die Firma "so ein defizitäres Modell mit sich herumschleppt". Die Rede ist vom Nürnberger Modell.

Seit VAG-Kunden nicht mehr kostenlos ausleihen dürfen, habe es Einbrüche gegeben. Außerdem erwirtschafte man zu wenig mit der Werbung an den Rädern. Mareike Rauchhaus: "Wir sind ein wenig mürbe. Nürnberg hat viel verschlafen." Eine effektivere Anbindung vom Leihrad an den öffentlichen Nahverkehr zum Beispiel. Oder Studententarife. Außerdem seien viele attraktive Innenstadt-Standorte wegen des Denkmalschutzes nicht genehmigt worden.

Für die Stadt gibt Baureferent Daniel Ulrich den Schwarzen Peter prompt zurück. Die Anspruchshaltung von Nextbike sei groß, die Zusammenarbeit während der letzten Jahre immer holprig gewesen, sagt der Referent. "Das hat Spuren hinterlassen." Er will sich deshalb im nächsten Verkehrsausschuss in zwei Wochen das Mandat holen, auch mit anderen Anbietern zu verhandeln.

Die Stadt brauche unbedingt ein Fahrradverleihsystem. Doch ob das NorisBike sein müsse, sei völlig offen. Schlimmstenfalls gebe es eine kurze Lücke, bis ein neuer Anbieter gefunden sei. Nürnberg ohne Leihfahrräder? 2017 könnte das kommen.

Nach der Anschubfinanzierung durch den Bund muss Nextbike seit 2013 ganz ohne Zuschüsse klarkommen. Viele rätseln etwa, warum im vergangenen Jahr eine neue "Flexzone" in der Innenstadt eingeführt wurde, innerhalb der Räder an frei gewählten Standorten abgestellt oder bestiegen werden können, ohne dass dafür Werbung gemacht wurde.

Ohne Zuschüsse geht nichts

Die Stadt sei für die Kommunikation zuständig, so erklärt das Nextbke-Sprecherin Rauchhaus. Im Baureferat sieht man das anders. "Das ist eine Privatfirma, Marketing ist deren Sache", hält Daniel Ulrich dagegen. Von der Illusion, Fahrradverleihsysteme könnten ohne Zuschüsse rentabel sein, hätten ihn Kollegen im Städtetag längst kuriert. Auch in anderen Städten funktioniere das ohne finanzielle Unterstützung leider nicht.

Ein Fazit, das im Stadtrat wenig Begeisterung auslösen dürfte. Allen voran die CSU pocht darauf, dass keine Steuergelder fließen dürfen. "NorisBike ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet", so formuliert das Marcus König, der verkehrspolitische Sprecher der Konservativen im Rathaus. Aber man sei mit der Firma schließlich nicht verheiratet.

Derzeit stehen die meisten der 600 Leihräder an ihren 75 Stationen wie festgeschraubt im Nieselregen. Ein Bild, das auch Thorsten Brehm, den SPD-Verkehrssprecher, zum Grübeln bringt. NorisBike habe Pflege und Wartung "eher halbherzig" betrieben, das Engagement des Anbieters gefalle seiner Partei nicht. Kurz: Auch bei den Sozialdemokraten stehen die Aktien von NorisBike nicht gut — während die Grünen davon ausgingen, dass die Verträge "geräuschlos weiterlaufen".

Fraktionschef Achim Mletzko reagierte überrascht auf die Nachricht von der Kündigung aus Leipzig. Er hoffe auf eine Lösung, sehe die Suche nach einem anderen Anbieter aber kritisch. Mletzko: "Die wachsen doch nicht auf den Bäumen."

Gibt es Alternativen? Anderswo bieten die Verkehrsverbünde selbst Leihräder an. Das müsse man diskutieren, wenn sich etwas ändere, sagt VAG-Sprecherin Elisabeth Seitzinger. 1900 Jahresabonnenten können derzeit noch zum Sonderpreis radeln. Vielleicht sei die Stadt mit Bus und Bahn einfach zu gut erschlossen, fragt sich Seitzinger.

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