Not macht erfinderisch: Spielzeug in Zeiten des Krieges

25.6.2015, 15:22 Uhr
Ein selbstgebasteltes "Mensch ärgere Dich nicht!"-Brettspiel aus dem Jahre 1950: Nur eines der vielen fantasievoll-skurrilen Stücke, die derzeit im Spielzeugmuseum zu sehen sind.

© dpa Ein selbstgebasteltes "Mensch ärgere Dich nicht!"-Brettspiel aus dem Jahre 1950: Nur eines der vielen fantasievoll-skurrilen Stücke, die derzeit im Spielzeugmuseum zu sehen sind.

Im Regal stehen Bücher, an der Schranktür hängt ein Spiegel und auf dem Tisch stehen Topf und Teller. Es fehlt an nichts in der kleinen Puppenstube. Gebastelt hat sie Lioba Pilgram 1956 - aus Streichhölzern. Da war sie acht Jahre alt. „Das Schneiden und Zusammenkleben der Zündhölzer war eine mühsame Arbeit, aber ich hatte kleine Hände, viel Zeit und Geduld“, schreibt die Zeitzeugin. Zu sehen gibt es die filigrane Puppenstube zusammen mit anderem selbst gemachten Spielzeug aus den letzten Kriegsjahren und der Nachkriegszeit in einer Ausstellung des Spielzeugmuseums Nürnberg („Notspielzeug. Die Phantasie der Nachkriegszeit“, bis 1. Februar 2016).

Notspielzeug nennen sich diese selbst gebauten Spielsachen, die zwischen 1943 und dem Ende der 50er Jahre in mühevoller Handarbeit entstanden. Als das Nürnberger Museum im Januar einen Aufruf startete, meldeten sich rund 170 Menschen, die das Kriegsende als Kind erlebt und ihr Notspielzeug über Jahrzehnte aufbewahrt hatten. Ihre Leihgaben und Schenkungen sind in der Ausstellung zu sehen.

„Schon 1943 durfte in Deutschland per Gesetz kein Spielzeug mehr industriell hergestellt werden“, erzählt Museumsleiterin Karin Falkenberg. Der Rüstungsbetrieb ging vor. Doch der Kreativität von Müttern und Vätern, die ihren Kindern etwas zum Spielen bieten wollten, waren keine Grenzen gesetzt: eine Pfeife aus einer Patronenhülse, Puppen aus alten Lumpen oder ein Flugzeugspiel aus einem Gasmaskenfilter.

Blickfänger der Ausstellung ist ein fast zwei Meter langes Paddelboot, das aus einem verbeulten Flugzeugtank besteht. „Solche Boote waren damals weit verbreitet“, erklärt Falkenberg. Fotos zeigen Kinder, die mit den ungewöhnlichen Gefährten auf Pegnitz, Nidda, Mangfall und anderen Flüssen unterwegs waren. „Die Dinger waren fürchterlich kipplig, die haben sich gedreht wie eine Wurst“, beschreibt die Museumsleiterin. Ein Riesenspaß für die Kinder.

Als heimlichen Star der Ausstellung bezeichnet Falkenberg die Teddybär-Dame „Brummhilde“. Ihr blau-weißes Kleid wurde aus der geklauten Hose eines US-Soldaten genäht. Solches „organisiertes“ Material kam bei Notspielzeug häufig zum Einsatz. Welchen ideellen Wert das selbst gemachte Spielzeug für viele Familien hatte, zeigt ein Puppenhaus, das eine alleinstehende Mutter 1944 für ihre Tochter baute. Die handgemachten Puppenmöbel waren ihr während der Bastelstunden so ans Herz gewachsen, dass sie das Inventar bei jedem Bombenangriff mit in den Luftschutzkeller nahm. Wertvolle Gegenstände blieben dafür in der Wohnung zurück.

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