Nürnberg 1945: Ein Neuanfang mitten im Schutt

10.10.2015, 05:57 Uhr
Nürnberg 1945: Ein Neuanfang mitten im Schutt

© Foto: Ray D’Addario

Aller Anfang ist schwer: Für Nürnberg galt dieser Spruch nach der Befreiung der bis zuletzt von den Nazis verteidigten Stadt am 20. April 1945 umso mehr. Nürnberg lag buchstäblich in Schutt und Asche, lediglich 14 580 Wohnungen standen für die verbliebene Bevölkerung zur Verfügung. Mangel herrschte an allen Ecken und Enden.

Sogar die Idee, die Stadt andernorts wieder aufzubauen, gab es: Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung sei der Gedanke nicht abwegig, so der Schriftsteller und Theaterkritiker Alfred Kerr noch zwei Jahre nach Kriegsende, „dies Trümmertal seinem Zustand zu überlassen — und ein neues Nürnberg nebenan zu erbauen“. Kerrs Eindrücke sind ebenfalls Teil des Buches.

Überraschen können derlei Beschreibungen nicht: Denn in der Stadt türmten sich regelrecht die Schuttberge nach Kriegsende — acht bis neun Millionen Kubikmeter mussten beiseite geräumt werden, ehe mit dem Wiederaufbau begonnen werden konnte. Mit dem „Trümmer-Express“ wurde eigens eine Schmalspurbahn gebaut, die den Schutt vom Hans-Sachs-Platz im Zentrum bis in die Nähe von Fischbach transportierte

Die Zeit vor und nach dieser „Stunde null“ ist Thema des Buches, das aber auch grundsätzliche Beiträge über den Zweiten Weltkrieg enthält. Die Leserinnen und Leser können sich im Detail über die Bombardierung Nürnbergs, den Einmarsch der US-Truppen und den teilweise erbitterten Widerstand der NS-Schergen informieren.

An Hitlers Geburtstag erobert

Warum die Stadt ausgerechnet am 20. April eingenommen wurde, schildert der Band ebenfalls — es sollte bewusst der Geburtstag Hitlers sein, denn Nürnberg hatte für die Alliierten große symbolische Bedeutung. Schließlich hatte die Kommune als „Stadt der Reichsparteitage“ während der NS-Diktatur eine herausgehobene Stellung innerhalb des Deutschen Reiches. Die Siegesparade fand denn auch an der Zeppelintribüne statt.

Während es den Amerikanern als Besatzungsmacht in Nürnberg vergleichsweise gut ging, litt die Bevölkerung massiv. Im Tiergarten kam es durch Kriegsgefangene zu einem Massaker an den dort verblieben Tieren. Von 487 Zoobewohnern blieben gerade noch 168 Tiere übrig.

Es wurden Huftiere gegrillt und Bärentatzen gebraten. Auch über dieses dunkle Kapitel wird in dem neuen Buch berichtet. Dem Verhältnis zwischen US-Besatzern und den Deutschen wird ebenso Raum eingeräumt wie dem Neuaufbau einer Verwaltung in Nürnberg.

Schließlich widmet sich der 147 Seiten umfassende Band dem Beginn des Hauptkriegsverbrecher-Prozesses im November. Sowohl das Verfahren als auch die Begleiterscheinungen, das Leben der Prozessbeteiligten in der Stadt sowie das der zahlreichen Journalisten aus aller Welt im Pressecamp im Faber-Castell-Schloss in Stein beleuchten die Beiträge der NN-Redakteure.

Insgesamt fügen sich die Aspekte zu einem stimmigen Bild Nürnbergs im Jahr 1945 zusammen. Ein Bild, wie es in diesem Facettenreichtum noch nicht gezeichnet worden ist. Die Beiträge entstammen aus Serien der Lokalredaktion der Nürnberger Nachrichten beziehungsweise des Wochenmagazins. Zahlreiche ausdrucksstarke Fotos und Abbildungen runden das Buch ab. Nicht nur für geschichtsbewusste Nürnbergerinnen und Nürnberger ein absolut lohnenswerter Band.

Das Buch „Nürnberg 1945. Vom Kriegsende bis zu den Nürnberger Prozessen“ ist ab heute in vielen Geschäftsstellen unserer Zeitung, unter anderem in Nürnberg, Fürth und Erlangen, erhältlich. Der Band kostet 7,50 Euro, Abonnenten bezahlen unter Vorlage der ZAC-Karte lediglich fünf Euro.

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