Nürnberg: Analyse soll bei der Armutsbekämpfung helfen

5.4.2018, 05:32 Uhr
Das Armutsrisiko in Nürnberg greift weiter um sich. Das Sozialreferat der Stadt hat nun eine gründliche Analyse vorgelegt und gibt Auskunft darüber, wie es um die fränkische Großstadt genau bestellt ist.

© Jens Kalaene/dpa Das Armutsrisiko in Nürnberg greift weiter um sich. Das Sozialreferat der Stadt hat nun eine gründliche Analyse vorgelegt und gibt Auskunft darüber, wie es um die fränkische Großstadt genau bestellt ist.

Fast ein Viertel der Nürnberger Bevölkerung gilt als "armutsgefährdet". Diese Zahl hat schon mehrfach Schlagzeilen gemacht und Nürnberg den Ruf einer Großstadt mit überraschend hohem Armutsanteil eingebracht. Nur Dortmund steht schlechter da. Dabei ist in den vergangenen Jahren die Arbeitslosigkeit deutlich gesunken - sie liegt inzwischen mit 5,7 Prozent nur noch knapp über der bundesweiten Quote von von 5,5 Prozent. Und auch die Zahl der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt (Hartz IV) ist tendenziell zurückgegangen. So bezogen Ende 2016 noch 104 von 1000 Nürnbergerinnen und Nürnbergern Transferleistungen - gegenüber 131 im Durchschnitt der 16 größten Städte Deutschlands.

Das Nürnberger Sozialreferat hat dazu jetzt eine gründliche Analyse vorgelegt; in der kommenden Woche steht sie im Stadtrat zur Diskussion. "Das Papier gibt aber keineswegs Antwort auf alle Fragen, es ist eher ein Werkstattbericht mit Hinweisen darauf, wo und wie wir als Kommune etwas tun können", stellte Oberbürgermeister Ulrich Maly bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung der "großen Linien" fest. Auslöser der Debatten sind vor allem die jährlichen Veröffentlichungen der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder zur Entwicklung der regionalen Armutsgefährdungsquoten. Die "Schallgrenze" liegt bei 60 Prozent des Durchschnittseinkommens; wer weniger bezieht, gilt als armutsgefährdet.

Vieles bleibt ausgeklammert

Auf der Grundlage des Mikrozensus fielen vor zwei Jahren 23 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner von Nürnberg in diese Kategorie. Alle Daten der Auswertung beruhen auf Befragungen von 2016, die Flüchtlingswelle hatte da noch keine statistischen Auswirkungen. Dabei hängt die Quote schon davon ab, welches Durchschnittseinkommen als Maßstab herangezogen wird: 23 Prozent ergeben sich bezogen auf den bundesweiten "Median" von 1615 Euro. Ausgehend vom Nürnberger Durchschnittseinkommen von damals 1504 Euro pro Monat errechnet sich dagegen ein Armutsgefährdungsquote von "nur" 19 Prozent. "Dabei geht es nicht darum, die Armut kleinzureden oder zu verharmlosen, sondern einen genaueren Blick zu gewinnen", versichert Reiner Prölß, Referent für Jugend, Familie und Soziales. 

Obendrein bleibt vieles ausgeklammert, was für eine umfassende Einordnung wichtig wäre: So werden Vermögen ebenso wenig berücksichtigt wie Schulden. Nicht ins Gewicht fallen zudem die von Region zu Region abweichenden Lebenshaltungskosten, vor allem für die Miete. "Damit gibt die Armutsgefährdungsquote weniger das tatsächliche Ausmaß von Armut wieder als das Ausmaß der Ungleichheit bei der Einkommensverteilung", betont Prölß. Für Nürnberg sind dabei sowohl Zuwächse in den oberen Gehaltsklassen wie im "Unterbau" in den schlechter bezahlten Berufen wie etwa in der Logistikbranche, in der Gastronomie oder im Sicherheitsgewerbe zu beobachten. Dabei könnte Nürnberg womöglich vorwegnehmen, was mit der zunehmenden Digitalisierung allerorten droht: nämlich eine weitere Spreizung zwischen "oben" und "unten".

Regelsätze nicht auskömmlich

Das größte Manko sehen Prölß und Maly in der auf die finanzielle Seite reduzierten Betrachtung. "Dazu kommt aber die soziokulturelle Dimension, also die Teilhabemöglichkeiten", betonen sie und verweisen darauf, dass Nürnberg gerade in diesem Punkt seit vielen Jahr Vorbildliches leiste: So könnten aktuell rund 55.000 Bürgerinnen und Bürger von Ermäßigungen und Vergünstigungen des "Nürnberg-Pass" profitierten - und der Kreis der Berechtigten umfasst mehr Betroffene als die Hartz-IV-Empfänger, zu denen auch viele Kinder zählen. Dazu komme zum Beispiel die Übernahme oder Ermäßigung der Kita-Gebühren für mehr als die Hälfte der Eltern. Und nicht zu vergessen die großen Kulturveranstaltungen, die "umsonst und draußen" tatsächlich für alle zugänglich sind und letztlich als Klammer für die Stadtgesellschaft wirken.

Gerade für die Teilhabe müssten aber die Regelsätze an zwei Punkten deutlich erhöht werden, forderten Maly und Prölß: "In den Berechnungen sind pro Monat nur 20 Euro für den öffentlichen Nahverkehr vorgesehen. Dafür gibt es in keiner Großstadt der Republik eine Monatskarte", stellt der OB nüchtern fest. Und der Sozialreferent setzt hinzu: "Für Kultur oder Sport sind die Regelsätze nicht auskömmlich. Deshalb bin ich eindeutig für eine Erhöhung." Denn nur über verstärkte Teilhabe sei Durchbrechen des Armutszirkels zu erreichen.

Für unzureichend hält die Stadt allerdings die verfügbaren Daten zur Struktur der Beschäftigung - vom Umfang der Teilzeittätigkeiten bis zu anderen Formen "prekärer" Beschäftigung und dem Niedriglohnsektor. "Die Bundesagentur für Arbeit liefert dafür bisher keine lokal auswertbaren Daten. Aber dafür setzen wir uns auf politischem Weg ein", kündigt Ulrich Maly an.

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