Nürnberger greift Stiefvater mit Pflasterstein und Messer an

23.2.2017, 09:11 Uhr
Der junge Mann attackierte seinen Stiefvater so lange mit dem Messer, bis die Klinge brach. (Symbolbild)

© colourbox.de Der junge Mann attackierte seinen Stiefvater so lange mit dem Messer, bis die Klinge brach. (Symbolbild)

"Ich wollte ihn fast töten, das stimmt. Aber mich interessiert dieser Schmarrn nicht, ich will ein Urteil und keine 15 Leute hören." Die Schimpftirade wird heftiger, der Ton unflätig, schließlich versucht Josef D. (Name geändert), den Gerichtssaal zu verlassen - Gutachter Timucin Türker rät zur Unterbrechung.

Der forensische Psychiater betreut den 22-Jährigen seit einigen Monaten in der Bezirksklinik Straubing, er weiß, wie weit dessen Erregungszustände gehen und wie gefährlich Josef D. für sich selbst, aber auch für andere Menschen in der Psychiatrie werden kann – jüngst steckte er ihn deshalb mehrere Tage in den Isolationsraum. Isolierung bedeutet, den Patienten in einen reizarmen Raum zu sperren, ausgestattet nur mit einer Matratze und einer Decke. Zu dieser Zwangsmaßnahme wird erst gegriffen, wenn alle anderen Mittel versagt haben. Und nun sitzt Türker im Gerichtssaal, um zu erklären, wie Josef D. denkt und ob auch künftig schwere Straftaten von ihm drohen.

Am 21. Januar 2016, davon geht die Staatsanwaltschaft aus, verließ der damals 20-jährige Josef D. die Wohnung in der Harsdörfferstraße im Stadtteil St. Peter. Er kehrte mit einem Pflasterstein zurück und warf ihn mit voller Wucht ins Wohnzimmer - dort saßen Mutter und Stiefvater vor dem TV-Gerät. Der Stein zerstörte die Stehlampe.

Im Dunkeln attackierte Josef D. seinen Stiefvater mit einem Messer, bis die Klinge brach, dann schlug er mit dem Griff und den Fäusten auf dessen Kopf ein. Die Panik und Verzweiflung der Mutter muss entsetzlich gewesen sein. Sie versuchte, die Männer zu trennen, als sie spürte, dass Blut auf ihre Hände tropfte. Als sie den Sohn endlich wegzerren konnte, schnappte er sich ein Besteckmesser, versuchte, es dem Stiefvater in den Hals zu rammen. Erst als noch eine Nachbarin dazukam, gelang es, den jungen Mann in sein Zimmer zu bugsieren.

"Er hätte den Tod verdient"

Wie konnte es nur so weit kommen? Mehr als ein Jahr nach der Tat trifft sich die Familie vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Josef D. zeigt keine Regung, als der Stiefvater in den Zeugenstand tritt, seine weinende Mutter sieht er nicht einmal an. Besuche der Familie in der Forensik hat er sich verbeten, er weigert sich, mit seiner Verteidigerin Anna Lottner überhaupt zu sprechen, als Richter Dieter Weidlich nachhakt, erklärt er nur, dass er den Stiefvater nicht umbringen wollte, dieser den Tod jedoch "verdient hätte". Warum er Rachepläne schmiedete, will er nicht sagen, mit leerem Blick starrt er in der Jugendkammer vor sich hin – es wirkt, als wollte er sich, sieht er die anderen nicht an, auch gleich selbst vor ihnen verstecken.

Doch nicht zu überhören ist: Das Drama begann lange vor jener grässlichen Nacht. Josef D. akzeptierte seinen Stiefvater nie, kam jedoch als Heranwachsender auch nicht auf eigene Beine. Er brach Ausbildung um Ausbildung ab, blieb finanziell von der Familie abhängig, und obwohl alle unter einem Dach lebten, war kein Gespräch mehr möglich. Er griff zu Drogen, stahl und prügelte sich.

Es war schwierig, schildert der Stiefvater, und es ist noch immer schwierig: Das Paar zog nach der Tat um, die Mutter ist noch immer auf psychologische Hilfe angewiesen.

Doch an einen Mordversuch, die Anklage geht von Heimtücke aus, will der Stiefvater nicht glauben – dies traue er seinem Stiefsohn "einfach nicht zu". Josef D. leidet unter einer Drogenpsychose und war in jener Nacht nicht bei Sinnen. Die Staatsanwaltschaft strebt seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.