Nürnberger Rechtsanwalt muss drei Jahre ins Gefängis

17.9.2014, 15:18 Uhr

Anwälte mögen Sprache. Sie beraten, streiten, verhandeln, veranstalten eigene Redewettbewerbe und eifern um das beste Plädoyer. Worte sind ihr Handwerkszeug, ihr Broterwerb. Doch nun, da er selbst als Angeklagter im Amtsgericht erscheinen muss, fehlen dem Anwalt Wolf N. (Name geändert) die Worte. Er sagt, dass er sich all dies „heute selbst nicht mehr erklären kann“.

Der Fall des zweifachen Familienvaters ist tragisch: 25 Jahre praktizierte er als Anwalt. Er bearbeitete Zivil- und Strafsachen, was eben so reinkam. Die Akten wälzte er auch am Wochenende in seiner Kanzlei in der Südstadt. Doch die Arbeit zahlte sich nicht aus, seine finanzielle Lage wurde schlechter. Das Familienleben litt unter den Überstunden.

Wolf N. dachte, dass der Engpass „vorübergehend“ sein würde, dass er Mandantengelder einsteckte, gibt er zu. Er wollte „Löcher stopfen“, sagt er, doch irgendwann begann er, immer neue Löcher zu reißen, um alte zu stopfen, und er hoffte, dass es irgendwie gutgehen würde.

Als erstmals gegen ihn ermittelt wurde, offenbarte er sich im August 2011 seiner gut verdienenden Frau. Sie sei „völlig von der Rolle“ gewesen, „wir haben schwer miteinander zu tun gehabt“, räumt er ein. Doch sie unterstützte ihn, er machte den Schaden wieder gut. Ein Jahr später kassierte er wegen Untreue eine Bewährungsstrafe von sechs Monaten.

Nur die Spitze des Eisbergs

Was er seiner Frau verschwieg: Es war nur die Spitze des Eisberges. Bereits im Jahr 2008, damals war der Anwalt als Testamentsvollstrecker tätig, veruntreute er weitere 50.000 Euro. Er hat die Summe nicht „für einen Sportwagen oder mit Frauen verjubelt“, betont sein Verteidiger Reinhard Debernitz. Wolf N. brachte Erben um ihren Besitz, um seine Kanzlei am Laufen zu halten.

Er habe sich geschämt, gesteht der Ex-Anwalt, der heute für seine Schwiegermutter arbeitet. Er konnte nicht um noch mehr Hilfe bitten. Dabei hätten die Ehefrau und die betuchte Schwiegermutter die Finanzlöcher damals diskret ausgleichen können, hätte N. nur gefragt.

Heute ist das Vermögen der Familie, Wolf N. besitzt zudem ein halbes Haus, für den Verteidiger ein Grund, Freispruch vom Vorwurf der Untreue zu fordern. Sein Gedankenspiel: Die Entnahme der Mandantengelder war durch Privatvermögen gedeckt, man könne die Entnahme als „Darlehen“ begreifen.

Mickrige Rechnungen

Staatsanwalt Michael Reif schüttelt den Kopf. Das üppige Familienvermögen spielt keine Rolle. Schließlich schuldete Wolf N. seinen Mandanten Geld — und nur gegen ihn, nicht gegen N.s Familie, bestanden Forderungen. Doch in N.s Kasse herrschte Ebbe.

Dazu kommt: N. hat sich auch des Missbrauchs von Titeln schuldig gemacht. Bereits nach der ersten Verurteilung stand ein Berufsverbot im Raum. Um dem zuvorzukommen, gab der Jurist seine Zulassung Anfang 2013 freiwillig zurück — doch er praktizierte weiterhin als Anwalt. Er stellte zwar nur mickrige oder gar keine Rechnungen, doch er schaffte es auch nicht, seinen, teils langjährigen, Klienten reinen Wein einzuschenken.

So schrieb er an Behörden und schaltete sich in eine Arbeitsrechtssache und in zwei Familienrechtsstreitigkeiten ein. Im Streit um einen Verkehrsunfall forderte er für seinen Mandanten die Versicherung zur Zahlung auf, doch das Wort „Rechtsanwaltskanzlei“ entfernte er nicht von seinem Briefkopf. Er habe das Vertrauen seiner Mandanten missbraucht, so das Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsrichter Bernd Kirchhof, und es verhängt drei Jahre Gesamtfreiheitsstrafe. Die Verteidigung hat Berufung angekündigt.