Nürnberger YouTuber sammelt Müll: "Werden daran ersticken"

7.10.2018, 05:30 Uhr
Nürnberger YouTuber sammelt Müll:

© Roland Fengler

"Heute habe ich die Rothenburger Straße besucht. Zwischen den beiden Schnellstraßen des Frankenschnellwegs gibt es einen Grünstreifen, der begehbar ist. Diesen wollte ich erkunden, um zu sehen, ob sich durch die Autobahn Müll sammelt oder Menschen dort Dinge zurücklassen." Mit diesen Sätzen beginnt der knapp vierminütige Film auf YouTube. Einer von rund 220 Beiträgen, die Alex Cio, der im wirklichen Leben Alexandru Ciocea heißt, in den vergangenen zwei Jahren dort hochgeladen hat. Darunter einige eben zum Thema "Plogging", wie jener Trend aus Schweden heißt, der sich auch in Nürnberg ausbreitet. Und bedeutet: Müll zu sammeln beim Laufen.

"Die Tour an der Rothenburger Straße wollte ich unbedingt machen", erzählt der Nürnberger, da er schon so oft mit dem Auto an diesem Grünstreifen vorbeigefahren sei. Er will mit dem Film, der seit rund einem Monat online ist, die User motivieren: "Schreibt mir einen Kommentar, ob Ihr Lust habt mitzumachen..." Sein Quotenrenner ist "After Rock im Park 2017 - Ein Paradies für Upcycler" mit über 4450 Aufrufen.

Plogging am Friedhof

Der 30-Jährige ist unermüdlich - beim Filmemachen und Aufsammeln von Müll. Seine Touren macht er eigentlich im Alleingang, gerne auch mal spontan, sie dauern zwischen fünf und 30 Minuten. Diese Woche hatte er erstmals auf Facebook zu einer gemeinsamen Tour in der Südstadt aufgerufen. Die Tüten zum Einsammeln liegen meist herum, Handschuhe hat er stets dabei. Ciocea nimmt es spielerisch, geht sehr offen an seine Unternehmungen ran. Zum Beispiel seinen Besuch auf dem Westfriedhof. Die Anlage mit den zahlreichen Gräbern wirkte auf den ersten Blick müllfrei, "doch es hat mich geschockt, wie stark der Randbereich verdreckt war, ein reines Plastikkonfetti". Eine große Mülltüte entsorgte er am Ende. Auf YouTube unter "Ruhet in Plastik? Plogging am Friedhof" zu sehen.

Seine Motivation? "Es regt mich auf, dass die meisten Leute immer darüber sprechen, was man alles machen könnte, aber nicht aktiv werden." Deswegen filmt und veröffentlicht er auch seine Plogging-Aktionen, "ich will den Menschen bewusstmachen, mit was für kleinen Möglichkeiten, man schon etwas verändern kann".

Wenn man mit offenen Augen durch die Stadt geht, entdeckt man überall Müll, manchmal auch an versteckten Orten, "viele schauen einfach nicht hin". Insofern ärgert es den 30-Jährigen, wenn man beim Plogging von einem Trend spricht. Denn: "Das suggeriert, dass es sich um eine kurzzeitige Modewelle handelt, aber wir haben richtig viel Dreck. Es gibt keinen Trend!"

Weniger reden, mehr machen

Der engagierte Nürnberger mit rumänischen Wurzeln hat Wirtschaftsinformatik studiert, war danach vier Jahre lang als Software-Entwickler tätig, kündigte und arbeitet nun selbstständig als Social-Media-Manager. Die meisten Projekte stemmt er ehrenamtlich und verbreitet sie über die sozialen Medien.

Instagram, YouTube, Facebook, Twitter, Quora, Reddit - Alex Cio ist überall zu finden. "Mit 80 Prozent der Sachen, die ich mache, verdiene ich kein Geld", erzählt der 30-Jährige. Aber er sei zufrieden und brauche auch nicht viel. "Es ist mir nicht wichtig, Geld zu machen, ich möchte vielmehr gemeinsam mit anderen etwas schaffen." Sein Motto: Weniger reden, mehr machen.

Im Juli hat er den Kurzfilm "Wer seine Stadt liebt, gießt!" ins Netz geladen. Darin berichtet der YouTuber: "Beim Scrollen auf Twitter habe ich einen Tweet der Stadt Nürnberg entdeckt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass unsere Bäume bei dieser Hitze viel Wasser brauchen und dass es schön wäre, wenn man selbst auch gießen würde." Er wohnt in der vierten Etage, ist aber gleich losgegangen und hat die Straßenbäume in der Nachbarschaft beglückt. Viermal runter und rauf, denn er besitzt lediglich eine Gießkanne.

80 Prozent der Lebensmittel noch nicht abgelaufen

Der Nürnberger ist auch beim Containern aktiv - also bei der Mitnahme weggeworfener Lebensmittel aus Abfallbehältern in der Regel von Supermärkten - und ernährt sich größtenteils davon. 80 Prozent dieser Lebensmittel seien noch nicht abgelaufen. "Das ist wie eine Wundertüte", meint er, der auch in private Mülltonnen schaut - mal findet man original verpackte Babynahrung oder ein gut erhaltenes Jackett von Joop. Als Netzaktivist agiert er auch hier nicht im Verborgenen und betreibt einen Blog unter containern.org.

Aktuell sind jedoch die Müll-Aktionen für ihn ein großes Thema. Für die Erstellung des Kurzfilms "Wie sauber ist die Rothenburger Straße" hat er knapp zweieinhalb Stunden gebraucht, die Aktion selbst dauerte gerade mal 20 Minuten. Vier große Säcke kamen am Schluss zusammen, wie der Beitrag zeigt, der mit den Sätzen endet: "Viel Interessantes findet man hier nicht, aber einen Haufen von Verpackungsmüll. Meiner Meinung nach sollten wir uns darum kümmern, dass wir hier endlich mal was machen und uns von diesem Müll befreien, wir werden irgendwann daran ersticken."

Im Internet unter http://alex-cio.de/

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