Nürnbergs leiseste Großbaustelle kostet Zeit, Geld und Nerven

21.1.2015, 14:00 Uhr
Jede Menge schweres Gerät ist beim Bau des neuen U-Bahnhofs Großreuth im Einsatz. Derzeit wird die Baugrube ausgehoben — wird es zu laut, müssen die Arbeiter leiser werkeln oder eine Pause einlegen.

© Horst Linke Jede Menge schweres Gerät ist beim Bau des neuen U-Bahnhofs Großreuth im Einsatz. Derzeit wird die Baugrube ausgehoben — wird es zu laut, müssen die Arbeiter leiser werkeln oder eine Pause einlegen.

Friedrich Hantke vom U-Bahnbauamt ist keiner, der sein Herz auf der Zunge trägt. Auf die Frage, ob man im Zeitplan sei, antwortet er erst mal: nichts. Drei, vier Sekunden lässt er vergehen. Dann antwortet der Diplom-Ingenieur bedächtig: „Wir sind fast im Plan. Naja.“ Und schiebt nach: „Wir müssen sehr auf den Lärm achten, sonst wären wir sicher schneller.“ Ob ihn die Auflagen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nerven, das lässt er sich nicht entlocken.

Fakt ist: Der Weiterbau der U 3 hat die Beteiligten viel Nerven und Zeit gekostet. Die Betreiberin des Pflegeheims Haus Frankenland an der Züricher Straße hatte gegen den Trassenverlauf geklagt, doch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erlaubte den Bau. Wegen des Rechtsstreits verzögerte sich das Projekt um Jahre. Auch die Kosten stiegen in die Höhe — plante die Stadt anfangs knapp 48 Millionen Euro ein, so geht man jetzt von rund 65 Millionen Euro aus.

Das Gericht forderte von der Stadt erhebliche Nachbesserungen beim Lärmschutz. So soll eine elf Meter hohe Container-Wand möglichst viel Krach vom Heim weghalten. Zudem dürfen Lärmwerte von 50 dB(A) im Bereich des Heims nicht überschritten werden. Dazu Vergleichswerte vom Bundesumweltministerium: Nahes Flüstern hat einen Wert von 40 dB(A), ein fahrendes Auto in zehn Metern Abstand verursacht etwa 70 dB(A).

„Keine schöne Sache“

Vor dem eigentlichen Baustellenbetrieb, bei Rodungsarbeiten und Leitungsverlegungen, hatte die Stadt schon mehrmals die Lärmwerte überschritten. Und das habe Folgen, sagt Hantke: „Sobald wir die Marke reißen, hat das Heim Anspruch auf Entschädigung. Wir werden eine Entschädigung zahlen, wenn dies gerechtfertigt und begründet ist.“ Wie teuer die Angelegenheit wird, das ist unklar: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München habe keine Höhe für eventuelle Zahlungen festgesetzt. Hantke fürchtet, dass Stadt und Heim sich künftig über Entschädigungszahlungen streiten könnten. „Das kann wieder ein neues Gerichtsverfahren ergeben. Keine schöne Sache.“

Eine Container-Wand soll möglichst viel Baustellengeräusche von den Nachbarn fernhalten.

Eine Container-Wand soll möglichst viel Baustellengeräusche von den Nachbarn fernhalten. © Horst Linke

Und es gibt neuen Ärger zwischen Stadt und Heim. Die Anwaltskanzlei „Hubich, Häusele & Kollegen“, welche die Heimbetreiberin vertritt, gibt sich beim Thema U 3 zurückhaltend und teilt bezüglich der Lärmwerte lediglich mit: „Unserer Mandantin fehlen Auswertungen der Stadt Nürnberg, die von der Stadt Nürnberg gemäß den Verpflichtungen im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München geschuldet sind.“ Doch das städtische U-Bahnbauamt hält dagegen: „Das U-Bahnbauamt lässt die Baustellengeräusche an kritischen Immissionsorten an der Südfassade des Pflegeheims durchgehend messen. Die Messergebnisse werden täglich ausgewertet und dem Heimbetreiber per E-Mail zur Verfügung gestellt. Widersprochen wird deshalb der Behauptung, dass Auswertungen fehlten.“

Wie geht es weiter? Das U-Bahnbauamt achtet streng auf die Einhaltung der Lärmwerte. Nach einer Winterpause wird seit Anfang Januar wieder gearbeitet — und Lärmgutachter Gunther Sigl von der Firma Müller-BBM bei München passt Tag für Tag darauf auf, dass es möglichst ruhig zugeht. Bis auf die Vorfälle während der bauvorbereitenden Maßnahmen habe man die Grenzwerte noch nicht gerissen, so Sigl: „Es ist eine ruhige Baustelle. Die Stadt ist sehr bemüht.“ Die Messinstrumente samt Kamera und Mikrofonanlage hat er von Oberbayern aus im Blick, etwa einmal in der Woche schaut er vor Ort vorbei. Wird es zu laut, schlägt er Alarm.

Die Bauleitung hat dann die Qual der Wahl, wie Projektleiter Martin Löwe erklärt: „Zum Teil telefonieren wir mehrmals täglich mit dem Lärmgutachter: Er gibt Prognosen ab, wie lange wir noch arbeiten können.“ Vor Ort werde entschieden, ob man die Arbeit verkürzt oder andere Arbeitsschritte aufschiebt. „Das ist sehr kompliziert.“ Bislang hätten sich erst zwei, drei Anwohner vor Ort über Lärm beschwert — mehr Ärger bereite der Schmutz. „Bedingt durch die Witterung kommt immer wieder Dreck auf die Straße. Wir bemühen uns, die Zufahrt sauber zu halten, doch das ist ein Kampf gegen Windmühlen.“

Gegenwärtig wird die Baugrube ausgehoben — nicht gerade eine leise Aufgabe. Noch „etliche Wochen“ werde dies dauern, meint Friedrich Hantke vom U-Bahnbauamt. „Wir hoffen, dass wir Anfang März mit dem Tunnelbau anfangen können.“ Ein wichtiger Schritt: Denn dann kommt ein Schallschutzdeckel auf die Baugrube. „Und dann wird es ruhiger werden.“

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