OB im Gespräch: Herr Maly, wie geht es mit Nürnberg weiter?

1.1.2019, 17:39 Uhr
Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly spricht über das 365-Euro-Ticket, mehr Platz für Radfahrer und Dieselverbote.

© Horst Linke Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly spricht über das 365-Euro-Ticket, mehr Platz für Radfahrer und Dieselverbote.

NZ: Herr Maly, wann entscheidet der Oberbürgermeister, ob er bei der nächsten Kommunalwahl 2020 noch einmal antritt?

Ulrich Maly: Für die OB-Wahl hat sich ein Termin rund ein Jahr vor dem Wahltag bewährt, also Anfang März. Im Sommer stehen die Referentenwahlen für Personal und Finanzen, Umwelt, Kultur und Soziales an, die Bürgermeister haben Zeit: sie müssen erst mal nur auf den jeweiligen Stadtratslisten sein.

Derzeit wird untersucht, welche Auswirkungen die VAG- und VGN-Tarifreform haben. Gibt es schon Ergebnisse dieser Untersuchung?

Maly: Nein. Die Analyse und die Auswertung dauern lange, weil es nicht nur um Tarife geht, sondern auch um die Einnahmeaufteilung im Verbund. Wir wissen nicht wirklich, wer mit welchen Verkehrsmittel wie oft fährt. Deswegen werden umfangreiche Befragungen durchgeführt. Auf der Basis dieser Daten können wir dann das Nutzerverhalten berechnen. Dass die Tarifreform bislang ein Erfolg ist, das wissen wir schon. Wir haben eine überdurchschnittlich hohe Steigerung bei den Fahrgastzahlen von allen Verkehrsverbünden in Deutschland, wie auch gestiegene Einnahmen. Wir brauchen die Untersuchung auch für die Kalkulation der Jobtickets. Erste Ergebnisse wird es Mitte bis Ende des Jahres geben.

Steht dann eine Weiterentwicklung des Tarifs an?

Maly: Es wird derzeit auch ein Gutachten zum E-Tarif erstellt. Das ist etwas anderes als das E-Ticket, das nur die aktuelle Tarifsystematik elektronisch abbildet. Der E-Tarif stellt im Grunde das gesamte Tarifsystem erst mal auf den Kopf, weil er alles kann. E-Tarif bedeutet zum Beispiel, dass man theoretisch keine Tarifzonen mehr braucht und die Unterscheidung zwischen Bartarif und Zeitkartentarif nicht mehr nötig ist. Selbst Rabatte für Gelegenheitsfahrer sind möglich. Es gibt mittlerweile das Südtiroler Modell, das leider noch nicht für eine Großstadt funktioniert, das im ÖPNV-Bereich Bestpreisabrechnungen durchführen kann. Natürlich müssen die Algorithmen festgelegt werden. Sollen Vielfahrer oder Weitfahrer Rabatte bekommen? Wie sieht eine Kombination von beiden aus. Gibt es eine Obergrenze bei Rabatten für Intensivfahrer? Wird es bei der elektronischen Abrechnung einen Grundpreis für das Vorhalten der Infrastruktur geben? Die Beantwortung der vier Fragen ist sehr anspruchsvoll.

Wie steht die Stadt zum Vorschlag von Ministerpräsident Markus Söder, eine 365-Euro-Jahresticket einzuführen?

Maly: Grundsätzlich ist es klasse, dass der Freistaat hier einsteigen will, aber es kommt auf das Konzept an. Wir haben jetzt erst einmal nach München geschrieben, wenn der Freistaat dem Münchner Verkehrsverbund 37 Millionen gibt, dass der VGN diese Summe auch will. Wir können mit den Zuweisungen aus München das ÖPNV-Angebot ausweiten oder aber die Tarife senken. Das 365-Euro-Ticket ist im Koalitionsvertrag mit der folgenden interpretationsbedürftigen Formulierung versehen: "Für die Kernregionen der bayerischen Verkehrsverbünde". Wenn alle bayerischen Gebietskörperschaften Mitglied eines Verkehrsverbunds sind, aber nur Kernstädte wie Nürnberg, Fürth, Erlangen oder Schwabach Geld bekommen, dann würde es an der Grenze des 365-Euro-Tickets zu einem riesigen Tarifsprung kommen. Man kann nicht von Iphofen nach Nürnberg für 365 Euro das ganze Jahr fahren. Das kann sich auch der Freistaat Bayern nicht leisten. Die Grundidee ist gut, aber riskant. Wir versprechen, die Zuschüsse dafür zu verwenden, die Tarife stabil zu halten oder gar zu senken. Es ist für mich aber nicht vorstellbar, dass man nur in der Kernstadt etwas macht. 94 Prozent der Pendler fahren immer noch mit dem Auto, die sind unser Problem.

Zwischen Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern kommt es auf Straßen immer wieder zu Konflikten. Gibt es es ein Konzept, Fußgängern und Radfahrern mehr Verkehrsfläche zuzuschlagen?

Maly: Es gibt kein Konzept, aber es gibt Einzelfallentscheidungen. Wenn wir einen Radweg in Normalbreite bauen, dann nehmen wir Autofahrern Fläche weg. Das ist mittlerweile weitgehend akzeptiert. Wilde Diskussionen gibt es nur dann, wenn man auf geraden Strecken aus zwei Spuren eine in eine Fahrtrichtung macht. Das ist in aller Regel tatsächlich kein Problem, weil nie das gerade Stück den Verkehrsfluss begrenzt, sondern die Ampel und die Kreuzung. Auch das ist kein Problem, wenn ein mehrspurige Aufstellung an der Ampel wie in der Beckschlagergasse und der Fürther Straße vorhanden ist. Die Möglichkeit, Fußgängern über breitere Gehsteige Flächen zurückzugeben, gibt es nicht an allzu vielen Stellen in der Stadt. Die gibt es eher an Plätzen. Die Diskussion um die Verkehrsberuhigungen in der Altstadt wird dazu führen, dass den Fußgängern sicherlich mehr Platz eingeräumt wird.

Rechnet der OB noch mit einer Dieselklage der Umwelthilfe?

Maly: Das kann passieren. Warten wir es ab.

Welche Folgen hätte diese Klage für Nürnberg?

Maly: Wir haben wahrscheinlich 2018 ein etwas höheren Grenzwert bei den Stickstoffdioxiden, aber wir wissen noch nicht genau warum. Vermutlich nicht, weil sehr viel mehr emittierende Autos unterwegs waren, sondern weil die Wetterlage einfach extrem war. Das ist in vielen anderen Städten auch so. Wir haben aber im langfristigen Durchschnitt der vergangenen Jahre einen stetigen Rückgang bei den Schadstoffen, weil die Automobilflotten erneuert werden. Auch haben wir ein bisschen mehr Verkehr an den Stadtgrenzen gehabt, das hat die Verkehrszählung ergeben. Pendler fahren weite Strecken und Menschen, die weite Strecken fahren, fahren gerne Diesel. Da kann es einen Zusammenhang geben. Empirisch lässt sich kein eindeutiger Zusammenhang herstellen. Verwaltungsrichter müssten prüfen, ob der Nürnberger Luftreinhalteplan alle Maßnahmen enthält, die notwendig sind. Er enthält auch als Ultima Ratio die Buhworte "Straßensperrung und Geschwindigkeitsreduzierung". Wir stellen die Kommunalfahrzeuge um und wir stellen die Busse auf umweltfreundliche Antriebe um und insofern glaube ich, dass wir bei einer Klage vermutlich um ein gerichtlich verhängtes Fahrverbot herumkommen. Wo soll auch das Verbot erlassen werden? Wenn jetzt der mittlere Ring für Diesel gesperrt wird, dann gibt es zwar keine Grenzwertüberschreitung mehr, die gleichen Schadstoffe wurden nur anders verteilt. Das ist keine Problemlösung. Das ist auch das, was mich an der Umwelthilfe stört, die Streckenverbote für Dieselfahrzeuge sorgen für kein einziges Mikrogramm weniger Ausstoß, sondern verursachen nur Ausweichverkehr.

Wie geht es mit der Debatte um das Pellerhaus weiter?

Maly: Das kommt in den Stadtrat. Die CSU-Kollegen wollten im Stadtrat drüber diskutieren. Und dann werden wir diskutieren. Meine Position ist klar. Natürlich kein Abriss.

Wie geht es mit der Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2025 weiter?

Maly: Wir werden jetzt die Region einbinden, das haben wir versprochen. Da gibt es durchaus Gebietskörperschaften, die gebieterisch danach verlangen, mitzumachen, andere warten eher ab. Mein Anspruch ist, dass es additiven Dinge geben muss, die zu unserer inhaltlichen Klammer passen, und es können sehr viele Städte was beizutragen. Das genügt aber nicht. Wir brauchen auch noch vernetzte Projekte. Entweder virtuell oder faktisch, wo die ganze Region zusammen an einem Projekt arbeitet. Das wird im Februar besprochen, dann müssen alle unterschreiben, dass, wenn wir gewinnen, sie auch mit dabei sind und sich finanziell beteiligen. Das ist dann der Vertrauenstest.

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