Paarlauf: Private Ring-Parabel

28.8.2015, 20:50 Uhr
Paarlauf: Private Ring-Parabel

© Foto: Mark Johnston

Es begann wie ein Sommernachtstraum: 1995 hospitierte die Studentin Meike Kremer am Theater ihrer Heimatstadt Osnabrück. Dort inszenierte gerade Oberspielleiter Klaus Kusenberg in einem Zelt Shakespeares berühmte Liebeskomödie „Sommernachtstraum“. Es kam, wie es kommen musste: die beiden verirrten sich wie die Figuren des Stückes im Zauberwald der Liebe. Das Problem: Kusenberg war damals noch mit einer anderen Frau verheiratet.

Es folgte eine Zeit der Irrungen und Wirrungen. Er wechselte ans Badische Staatstheater in Karlsruhe, sie studierte Literatur- und Medienwissenschaften in Marburg sowie Theaterwissenschaften in Amsterdam. Irgendwann zog Kusenberg dann in die Wohngemeinschaft von Meike Kremer, die am Marburger Theater als Regie-Assistentin arbeitete.

Das Jahr 2000 wurde dann zum privaten und beruflichen Wendepunkt für die beiden: Er trat seine neue Stelle als Schauspieldirektor in Nürnberg an, sie erwartete ihr erstes Kind. Luca Marie kam im November 2000 hier zur Welt. Also alles in Butter, das häusliche Glück perfekt?

„Von wegen!“, seufzt Meike Kremer. „Für mich war das alles andere als lustig. Klaus arbeitete praktisch Tag und Nacht am Theater, ich hatte weder einen Job noch Freunde hier und saß oft allein zuhause. Das hat mich fertig gemacht.“

„Ja, ich habe Meike damals ziemlich viel zugemutet“, gibt Kusenberg rückblickend zu. Es dauerte ein bisschen, bis sich das Familienleben in Nürnberg richtig einpendelte. Denn erschwerend kam hinzu, dass Kusenbergs neuer Job die Theaterkarriere seiner Frau nicht gerade erleichterte. „Ich wollte auf keinen Fall an einem Haus arbeiten, wo mein Mann der Chef ist“, sagt Meike Kremer. „Das hätte nur Gerede gegeben.“

Deshalb heuerte sie 2002 beim Nürnberger Kindertheater Mummpitz als Theaterpädagogin und Regisseurin an, wo sie bis heute tätig ist. Diese Kontinuität schätzt sie mittlerweile ebenso wie die Arbeit mit einem festen Team. „Anfangs hätten wir nie gedacht, dass wir so lange in Nürnberg bleiben würden“, gibt sie zu. „Aber mittlerweile fühlen wir uns hier richtig zu Hause.“

Mittlerweile sind die Kusenbergs auch zu viert: 2005 kam Sohn Carlo auf die Welt. Die Kinder gehen hier zur Schule. Dass ihre Eltern beide am Theater arbeiten, halten sie für nichts Besonderes. Beeindruckt sind sie jedenfalls davon nicht im geringsten.

Wie muss man sich den Alltag bei Kusenbergs vorstellen? Wie Kindertheater? Wie eine Komödie, eine Farce oder eher wie eine Tragödie? Wahrscheinlich als Mischung aus allem, wie bei den meisten Familien. „Die Theatererfahrung macht es uns vielleicht ein bisschen leichter, bei Streitfragen ironische Distanz zu wahren“, erläutert Klaus Kusenberg. „Aber wir sind ja beide keine temperamentvollen Schauspieler, die im Privatleben ihre Rollen weiter spielen, sondern eher auf Harmonie aus. Theatralisch geht’s bei uns selten zu.“

Andererseits sind die Arbeitszeiten am Theater nicht gerade familienfreundlich. „Ach“, sagt Meike Kremer, „wenn mein Mann Manager in der Industrie wäre, wäre es vermutlich auch nicht leichter. Zum Glück kann ich mir meine Arbeit einigermaßen einteilen.“ Ihr Mann ergänzt: „Dank der Kinder habe ich gelernt, mit meiner Zeit sehr effektiv umzugehen.“ Die gemeinsame Zeit ist kostbar und das höchste der Freizeit-Gefühle von Zeit zu Zeit ein Kinobesuch. Hobbies kann sich Klaus Kusenberg wegen seines Terminkalenders nicht leisten – „das würde mir Meike auch niemals verzeihen“, gesteht er lachend.

„Theater ist ja für uns beide nicht nur irgendein Job“, sagt Meike Kusenberg. „Da steckt viel Herzblut drin, man investiert unheimlich viel - und das macht einen natürlich auch verletztlich.“ Heikel wird es vor allem dann, wenn beide mit Endproben beschäftigt sind und die Nerven blank liegen. „Man neigt dazu, die eigene Arbeit für das Allerwichtigste zu halten“, sagt Klaus Kusenberg. „Aber in einer Beziehung ist das Gift.“

Gegenseitige Ratschläge in künstlerischen Dingen können sich die beiden Theaterleute kaum geben, sie haben aber einen Grundkonsens in diesen Fragen. Über allem steht der Respekt vor der Arbeit des anderen. Und wie steht’s mit Kritik? „Das geht gar nicht“, meint Klaus Kusenberg. „Man merkt ja selbst, wenn etwas schief gelaufen ist. Bei Premieren ist man am verwundbarsten. Da kann man eigentlich nur Trost brauchen.“

Trotz aller Turbulenzen, die der Theaterberuf mit sich bringt, hält Meike Kremer es für einen großen Luxus, sich beruflich mit Kunst beschäftigen zu dürfen. Die Arbeit mit Kindern macht ihr großen Spaß.

„Ich könnte das nicht“, sagt Klaus Kusenberg, der seit 2000 hier ein Ensemble und ein Stammpublikum aufgebaut, selbst inszeniert und den Umbau des Schauspielhauses geleitet hat. Keine kleine Leistung. Sein Vertrag als Schauspieldirektor wurde bis 2018 verlängert. Dann ist er 65. Kusenbergs persönliche Bilanz fällt auf jeden Fall positiv aus: „Ich habe früher immer gedacht, Theaterberuf und Familie seien unvereinbar. Aber dann habe ich, ziemlich spät, eine Familie gegründet und dann folgte zu meiner eigenen Überraschung die erfolgreichste und glücklichste Zeit meines Lebens.“

Dazu gibt es eine ganz persönliche Ring-Parabel: In die Eheringe haben sich die beiden jeweils die Hälfte eines Zitats aus dem „Sommernachtstraum“ eingravieren lassen. „Was Seelen knüpft“ – „und lieben macht“. Wenn das nicht romantisch ist!

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