Prostituiertenmorde: Anklage fordert Sicherungsverwahrung

21.6.2018, 12:05 Uhr
Wegen zweifachen Mordes muss sich der Nürnberger Felix R. vor Gericht verantworten. Bereits im Juni 2017 gestand der inzwischen 22-Jährige die Taten.

© NEWS5 / Grundmann Wegen zweifachen Mordes muss sich der Nürnberger Felix R. vor Gericht verantworten. Bereits im Juni 2017 gestand der inzwischen 22-Jährige die Taten.

Felix R. suchte den Kontakt zu Yenna per WhatsApp: Er deutete an, die Nacht mit ihr verbringen zu wollen, für Liebesdienste 800 Euro zu zahlen – die Rumänin (22), so schilderten Kolleginnen später der Kripo, war ganz aus dem Häuschen über den lukrativen Auftrag. 

Am 25. Mai 2017 lag sie tot in ihrer ausgebrannten Wohnung, erst mit bloßen Händen erwürgt, schließlich stranguliert mit einem Paar Schnürsenkel. Fast ein Jahr später schilderte Felix R. freimütig dem Gerichtsgutachter, dass er Yenna wohl schon mit dem ersten Schritt, den er in ihr Apartment setzte, enttäuscht habe. Für eine halbe Stunde wollte er 50 Euro bezahlen, er kaufe doch nicht "die Katze im Sack", von wegen die ganze Nacht – er habe die Frau von Anfang an im Unklaren gelassen. Da er ihr einziger Freier war, sei sie gezwungen gewesen, sich auf die Situation einzulassen. 

Am 5. Juni erdrosselte er die Chinesin Miyoko (44) beim Geschlechtsverkehr – wie Gott habe er sich dabei gefühlt, oder eigentlich eher wie der Tod, so schilderte er dem psychiatrischen Gutachter Michael Wörthmüller. Der Psychiater vermutet sexuell-sadistische Neigungen, er nennt Felix R. auch weiterhin gefährlich, eine Haftstrafe allein wird aus dem Angeklagten keinen anderen Menschen machen. Wie also ist er zu bestrafen? 

Felix R. lebte von Sozialleistungen 

Oberstaatsanwalt Thomas Weyde beschreibt Felix R. in seinem Schlussvortrag als gesellschaftlichen Versager, ohne berufliche Erfolge und Freunde, ein 22-Jähriger, der Anerkennung suchte in der virtuellen Welt der Computerspiele, durch Pornos im Internet sexuell sozialisiert wurde. R. sah hunderte von "Snuff-Videos", Filme, in denen Menschen vor laufender Kamera gequält und getötet werden - oft auch zur sadistisch-sexuellen Erregung. Die Opfer sind in vielen der Videos nackt, immer wieder werden Frauen während des Akts erdrosselt. Was er sah, setzte Felix R. in die Realität um. "Er versprach sich hier von höchste Befriedigung", so Weyde. "Bei normalem Geschlechtsverkehr spürte er nichts." Als R.s finanzielle Situation immer angespannter wurde, er war aus seinem Elternhaus geflogen, und lebte von Sozialleistungen in einer Sozialpension, sei er auch sexuell aggressiver geworden. Er besuchte eine Freundin, als sie zärtlich wurden, fasste er ihr an den Hals und begann, sie zu würgen. Ohne weitere Erklärung verließ er die schockierte Frau, als Zeugin war sie im Schwurgericht zu hören. Tage später suchte er die Prostituierten auf.

Felix R. habe seinem ersten Opfer, Yenna, vorgegaukelt, sie die ganze Nacht zu buchen - dies schon allein, um weitere Freier als unliebsame Zeugen zu verhindern, so Weyde. R. fesselte Yennas Arme mit Mullbinden auf deren Rücken und strangulierte sie mit Schnürsenkeln. Bevor er ihre Wohnung verließ, steckte er ihr Bargeld ein, stellte ein brennendes Teelicht aufs Bett und legte einige Blatt Toilettenpapier dazu. Am nächsten Tag ging es ihm auffällig gut - Zeugen hatten bestätigt, dass er sich um ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft bewarb. Dort fiel er positiv durch seinen Humor auf. Lang hielt die Hochstimmung nicht an. Oberstaatsanwalt Weyde: "Tage später suchte er im Internet nach einem neuen Opfer." Felix R. fesselte auch Miyoko, und strangulierte sie mit einem Handykabel.

Sein Geständnis wiederholte er beim Psychiater

Er nahm auch ihr Geld und versuchte auch hier, wie schon vorher in der Modellwohnung in der Regensburger Straße, mit Hilfe eines Teelichts und auf dem Bett ausgelegten Zewa-Tüchern seine Spuren zu vernichten - und steckte die Wohnung in der Höfener Straße in Brand. Eine Stunde später surfte er im Netz auf den Seiten eines Elektro-Marktes, dort setzte er später das gestohlene Geld in Comic-Figuren um. 

Felix R. ist voll schuldfähig, war in seiner Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt, davon ist der Oberstaatsanwalt überzeugt. Er verweist auf das Geständnis des Angeklagten, die Kripo hatte R.s stundenlange Vernehmung aufgezeichnet, das Video wurde während der Beweisaufnahme im Sitzungssaal des Schwurgerichts gezeigt. Sein Geständnis wiederholte er beim Psychiater. 

Der 22-jährige Angeklagte habe das Bedürfnis "toll dazustehen", er wollte etwas Besonderes sein und für ein Gehalt unter 3000 Euro netto im Monat nicht arbeiten - einer früheren Schulfreundin log er vor, seit drei Jahren im Sanitätsdienst der Bundeswehr zu sein und kurz vor einem Auslandseinsatz in Syrien zu stehen. In Wirklichkeit war er arbeitslos, hatte zwei Ausbildungen abgebrochen, lebte in einer Sozialpension und suchte im Internet nach Filmen mit Gewaltdarstellungen, Vergewaltigungen sowie nach Snuff-Videos. 

Wie also ist so jemand zu bestrafen? Wie ist die Allgemeinheit vor ihm, den der Psychiater gefährlich nennt, zu schützen? Ankläger Weyde ist sicher, dass Felix R. aus Mordlust handelte, sich nach dem Tod der Frauen noch an ihnen bereicherte - auch an den Handtaschen der Frauen hatten sich die DNA-Spuren des R. gefunden. Dazu kommt: Weyde ist überzeugt, dass Felix R. die Prostituierten auch zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr gezwungen hat- andere Freier hatten im Zeugenstand versichert, dass die Frauen, schon aus Angst vor möglicher Ansteckung, nie ungeschützt ihre Dienste angeboten. Es sind, neben Handy-Verbindungsdaten, auch diese DNA-Spuren, die Felix R. letztlich überführten.

Besondere Schwere der Schuld 

Felix R. sei mit einem Plan und bewusst vorgegangen - die Diagnose des "sexuellen Sadismus" sei gegeben. Eine seelische Abartigkeit, die der Angeklagte noch steuern konnte - Weyde verweist auf R.s Freundin, die von R. gewürgt wurde, bei ihr, einem "braven, bürgerlichem Mädchen" habe er seinen gewalttätigen Übergriff noch abgebrochen, sterben mussten die Prostituierten. Weyde sieht gleich mehrere Mordmerkmale verwirklicht: Er nutzte die Arg- und Wehrlosigkeit seiner Opfer aus, er ermordete die Frauen, um seinen Geschlechtstrieb zu befriedigen, er handelte aus Habgier und zur Ermöglichung einer Straftat - schließlich bestahl er die Frauen. Mord, Raub mit Todesfolge und Vergewaltigung, bedeutet dies in juristische Formeln gefasst. Lebenslänglich, sagt Weyde und will die besondere Schwere der Schuld festgestellt wissen, damit könne der Angeklagte nicht nach 15 Jahren entlassen werden.

Auch das schärfste Schwert des Strafrechts zieht Weyde und beantragt die Sicherungsverwahrung des Angeklagten - damit käme Felix R. - zum Schutz der Allgemeinheit - auch nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe nicht aus dem Gefängnis frei. Beim Angeklagten sei nach den Taten im Kopf ein Schalter umgeklappt -und diesen Schalter zurückzuklappen, sei sehr sehr schwer. Der Psychiater habe ihn gefährlich genannt, der Strafvollzug allein reiche nicht. Daher, so Weyde, sei die Sicherungsverwahrung anzuordnen. 

Strafverteidiger Neder folgt Einschätzung des Staatsanwaltes

Für Mord sieht das Strafgesetzbuch nur eine Strafe vor: lebenslang. In Bayern bedeutet dies fast 22 Jahre hinter Gittern, wird die besondere Schwere der Schuld festgestellt, sind es 23 bis 25 Jahre. Wird die Sicherungsverwahrung angeordnet, bleibt Felix R. auch nach dieser Freiheitsstrafe eingesperrt - um die Allgemeinheit vor ihm zu schützen.

Warum ist denn all dies geschehen, fragt Rechtsanwalt Manfred Neder. Aus seiner Sicht könne man sich nicht einmal auf das verlassen, was Felix R. beim Psychiater erzählt habe - auch passe die Version des Angeklagten, dass er die Frauen im Streit ums Geld nach dem Akt erdrosselt habe, nicht zu den objektiven Tatspuren. Strafverteidiger Neder folgt der Einschätzung des Staatsanwaltes: Er geht davon aus, dass R. nach dem ständigen Konsum der Gewaltvideos diese virtuelle Welt in die Realität trug - und seinen gedanklichen sexuellen Sadismus bei den Prostituierten in die Tat umsetzte. Auch er spricht von einem Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, sieht jedoch nicht das Mordmerkmal Habgier erfüllt - von einem Plan des Felix R., den Prostituierten Bargeld und ein Handy zu stehlen, könne keine Rede sein.

Felix R. nutzt sein letztes Wort

Es sei möglich, dass die Damen ihr Geld in der Wohnung vor diebischen Freiern versteckt hätten und deshalb von der Polizei keine Barmittel gefunden wurden. Entgegen der Aussage seines Mandanten wertet der Verteidiger die Taten nicht als Totschlag, sondern als Mord - zieht jedoch den Schluss, dass Felix R. vermindert schuldfähig sei. Auffällig sei, wie unauffällig sich Felix R. nach den Taten benommen habe, niemand habe geahnt, dass er gerade einen Menschen umgebracht habe.

In der Hauptverhandlung sei aufgefallen, wie intensiv sich Felix R. für die Obduktionsbilder interessiert habe. Der Auslöser für die Taten sei der intensive Konsum der Gewalt-Videos, mit Blick auf sein junges Alter und den bereits entwickelten sexuellen Sadismus liege nahe, dass Felix R. äußerst gefährlich ist. Felix R. müsse als vermindert schuldfähig verurteilt werden - zwar wegen Mord in zwei Fällen, jedoch zu einer auf 15 Jahre begrenzten Freiheitsstrafe. Als vermindert schuldfähiger Täter solle er in ein forensisches Krankenhaus eingewiesen werden, ein eingeschliffenes Verhaltensmuster sieht Neder nicht. 

Felix R. selbst nutzt sein letztes Wort, um zu erklären, dass er seit frühester Kindheit gelernt habe, möglichst wenig Emotionen zu zeigen. Dies solle seine Taten nicht rechtfertigen. Er bittet um eine Chance, die bestmögliche Hilfe und Therapie für sich, entschuldigt sich bei allen Freunden und Familienangehörigen. 

Am Montag will die Schwurgerichtskammer ihr Urteil sprechen.

Der Artikel wurde um 12.05 Uhr aktualisiert.