Reden über das Gefühl, im falschen Körper zu sein Mittwochsinterview

25.10.2016, 17:00 Uhr
Reden über das Gefühl, im falschen Körper zu sein Mittwochsinterview
Reden über das Gefühl, im falschen Körper zu sein Mittwochsinterview

© Foto: dpa

Frau Pannewick, sind derartige Themengottesdienste ein neues Modell in Ihrer Gemeinde?

Franziska Pannewick: Nein, wir haben schon im vergangenen Jahr damit begonnen und unsere Wohnzimmergottesdienste angeboten. Diese Reihe war eigentlich aus der Not geboren, denn wir hatten nach einem Wasserrohrbruch einer Gruppe aus unserem Kindergarten Unterschlupf gewährt. Da sah die Kirche dann fast wie ein Wohnzimmer aus. Deshalb haben wir die Predigt als Monolog durch einen Dialog auf dem Sofa ersetzt.

Also sind Ihnen ungewöhnliche Formate nicht fremd. Aber wieso ausgerechnet das Thema Transsexualität?

Pannewick: Die Idee dazu ist im Rahmen der Wohnzimmergottesdienste entstanden. Ein Betroffener aus der Gemeinde kam auf mich zu, weil er selbst diesen Weg gehen und vom Mann zur Frau werden will. Ich habe ihn seelsorgerisch begleitet, er hat mir von seinen Ängsten und Sorgen erzählt. Da kam die Idee auf, Transsexualität zum Thema eines Gottesdienstes zu machen und den Menschen zu erklären, wie es sich anfühlt, wenn man das Gefühl hat, im falschen Körper zu stecken.

Hatten Sie denn da gar keine Berührungsängste?

Pannewick: Nein, hatte ich nicht, eben weil ich ja jemanden kenne, der betroffen ist. Das ist dann leichter, er ist einer von uns. Aber in der intensiveren Beschäftigung mit dem Thema habe ich gemerkt, dass mir die Materie fremd ist und ich in diesem Bereich unsicher bin. Ich habe viel gelernt, zum Beispiel, dass man aufpassen muss, welche Vokabeln man verwendet. Statt Geschlechtsumwandlung muss es Geschlechtsanpassung heißen, dann empfinden es die Betroffenen nicht als diskriminierend. Das hätte ich vorher nicht gewusst.

Was wird denn Ihre Gemeinde dazu sagen? Ist sie offen für eine solche Diskussion?

Pannewick: Davon gehe ich aus. Bislang gab es keine negativen Reaktionen, auch nicht, als das betroffene Gemeindemitglied in Frauenkleidern zu uns kam. Ich finde, Kirche muss offen für alle Themen sein, die die Menschen umtreiben. Und da gehört eben auch Transsexualität dazu. Ich möchte, dass dieser Gottesdienst ein Signal nach außen ist und dass er dazu beiträgt, den Menschen ihre Unsicherheit zu nehmen.

Aber Sie müssen ja auch aus theologischer Sicht Stellung beziehen. Hat die evangelische Kirche denn darauf schon Antworten gefunden?

Pannewick: Eine eindeutige Haltung gibt es bislang nicht, aber ich orientiere mich an der Haltung der Kirche zur Homosexualität. Demnach ist jede Lebensform okay, wenn sie in Liebe und Verantwortung gelebt wird. Das gilt also auch für langfristige homosexuelle Beziehungen. In der Bibel lässt sich zum Transgender-Thema nichts Konkretes finden, weil es zu Jesu Zeiten noch kein Thema war. Aber hätte er Homosexuelle und Transsexuelle gekannt, hätte er sich ganz bestimmt für diese Gruppen starkgemacht.

Wie wird denn der Gottesdienst ablaufen?

Pannewick: Uns geht es in erster Linie um Information, damit wir Unsicherheiten abbauen können. Deshalb kommt unser Gemeindemitglied selbst zu Wort, auch ein Betroffener aus einer anderen Gemeinde hat sich angemeldet. Wir werden außerdem Ausschnitte aus Filmen zeigen, die den Weg vom Outing bis hin zur Operation schildern. Und dann wird es eine Predigt im Dialog geben. Wir werden Haltung zeigen, und diese lässt sich durchaus theologisch begründen. Denn Gott hat mehr Vielfalt geschaffen, als wir für möglich halten. Wenn er einen Menschen geschaffen hat, der weibliche und männliche Anteile in sich trägt, dann soll das auch so sein.

Der Gottesdienst zum Thema Transidentität findet am Sonntag, 30. Oktober, um 9.30 Uhr in der Kirche Zum Guten Hirten, Kronacher Straße 3, statt.

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