Rekordverdächtiges Kugelparadies im Hobbykeller

16.9.2011, 00:00 Uhr
Rekordverdächtiges Kugelparadies im Hobbykeller

Betritt man Josef Kardinals Haus, deutet zunächst nichts auf die außergewöhnliche Sammlung hin. Über den Gang durchquert man ein geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer. Das Esszimmer führt in eine gut ausgestattete Küche. Lediglich ein paar vereinzelte Kugeln stehen auf dem Klavier.

Rekordverdächtiges Kugelparadies im Hobbykeller

© Michael Matejka

„Meine Frau mag das nicht so, wenn die hier oben rumstehen“, lacht der Sammler. Nimmt man aber von der Küche aus ein paar Stufen abwärts, steht man im Reich des 61-Jährigen. Der Anblick ist gigantisch: Zwei Kellerräume, vollgestellt mit Regalen, die sich unter der Last von unzähligen Schneekugeln in allen möglichen Größen, Farben und Formen biegen.

Rekordverdächtiges Kugelparadies im Hobbykeller

Aber auch Josef Kardinals Sammlung fing einmal ganz klein an. Ein Bekannter hatte ihm 1984 eine Schneekugel aus dem Urlaub mitgebracht. „Mit typisch kitschigem Urlaubsmotiv“, erzählt der Sammler: Ein Bauernhaus mit Gebirge im Hintergrund und Bergsee davor.

Rekordverdächtiges Kugelparadies im Hobbykeller

„Ich hab’ das etwas widerwillig angenommen und erst mal auf dem Klavier abgestellt“, verrät Kardinal, der als Finanzbeamter arbeitet. Seine Bekannten vermuteten daraufhin, er sammle die Kugeln, und brachten ihm immer wieder ein paar mit. „Irgendwann hab’ ich dann selber mitgemacht — und dann war das Ganze nicht mehr zu bremsen“, erzählt er.

Heute, 27 Jahre und 8314 Kugeln später, ist Josef Kardinal zum Schneekugel-Experten geworden. Laut Fachliteratur habe es die allererste Kugel zur Weltausstellung in Paris 1878 gegeben. Darin soll ein Mann mit aufgespanntem Regenschirm gestanden haben. Später war das Stück allerdings nie wieder gesehen worden. Aus dem Jahr 1890 stammt Kardinals ältestes Exemplar. Auf diese Rarität ist er besonders stolz: Lediglich eine einzige identische gibt es noch. Sie zeigt den Eiffelturm — die typischen Merkmale einer Schneekugel kann sie jedoch nicht mehr erfüllen. Das Wasser ist längst verdunstet. Und auch andere Äußerlichkeiten unterscheiden sie von modernen Schneekugeln: Der Sockel ist aus Keramik, als Schnee dient Reis.

Harry Potter im Glas

Die Zeitreise durch Kardinals Sammlung lässt sich fortsetzen: „In den 50er und 60er Jahren kam ja der Massentourismus auf. Da gab es dann einen richtigen Produktions- und Verkaufsboom“, verrät der Sammler. Auch das zur Herstellung verwendete Material änderte sich: Nun wurden Flocken und die Kugel selbst aus dem neu entdeckten Kunststoff Polystyrol gefertigt.

Auch den Zeitgeist kann man an den vielen Schneekugeln ablesen. Waren es früher die Muppet-Show oder die Diddl-Maus, die Kinderherzen höherschlagen ließen und immer wiederkehrende Schneekugelmotive darstellten, sind diese längst abgelöst worden von Feen oder Harry Potter.

Teile seiner Sammlung hat Josef Kardinal schon in knapp 20 Ausstellungen gezeigt. Zweimal stand er bereits im Guinnessbuch der Rekorde. 2010 war ihm das Aufnahmeverfahren zu langwierig — so wurde die Sammlung einer Chinesin mit gerade einmal knapp 2000 Schneekugeln eingetragen. Von einem Sammler, der mehr Kugeln besitzt als er, weiß der Katzwanger nichts.

Um nicht den Überblick zu verlieren, hat Kardinal seine Sammlung nach Themen geordnet. Von Baby über Liebe bis zu Sakralem; von Comics über Süßigkeiten bis Weihnachten: „Da gibt es kaum Tabus“, lacht der 61-Jährige. So hat er auch eine kleine Erotik-Ecke eingerichtet — leicht bekleidete Damen und Pärchen beim Liebesspiel räkeln sich hier in den Kugeln.

Exemplare aus 62 Ländern besitzt Kardinal mittlerweile. Ganz neu sind die aus den Arabischen Emiraten: Besonders die großen Hotels in Dubai produzieren aus Werbegründen Schneekugeln — die immer wieder auch in den Besitz von Josef Kardinal gelangen.

Prächtige Kugeln bringt Disney zu jedem neuen Film heraus. Sie ähneln kaum mehr den klassischen, halbrunden und eher zierlichen Exemplaren. Das Lieblingsmodell des Sammlers: eine doppelstöckige Kugel, getragen von einem Schloss und umrahmt

von allen Disney-Helden. Immer dabei sein muss mindestens eine Zusatzfunktion: Oft sind Spieluhren eingebaut, oder die Gebilde sind beleuchtbar.

Aber es geht auch ganz unscheinbar: Die kleinste Kugel in der Sammlung des Finanzbeamten ist gerade einmal fingernagelgroß. In ihr befindet sich ein winziger Steinbock. Ursprünglich diente sie als Brosche.

So eine Sammlung macht auch Arbeit. Neben der Katalogisierung und der Ordnung im Keller füllt Kardinal zweimal im Jahr das Wasser in den Kugeln auf, das schnell verdunstet. Es muss destilliert sein, „sonst kann man zuschauen, wie es da drin zu leben anfängt“. Für so einen Durchgang braucht der Sammler dann schon einmal drei Wochen.

Eine ganz besondere Kugel fehlt Josef Kardinal aber noch in seiner Sammlung: „Vom FCN hätte ich schon noch gern eine, aber die gibt es bisher leider noch nicht.“

www.schneekugel-sammlung.de Facebookseite unter dem Stichwort „Schneekugelsammlung“.

 

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