Rugby: Dreißig Schreihälse und Affenhitze

11.9.2013, 12:16 Uhr
Rugby: Dreißig Schreihälse und Affenhitze

© Stefan Hippel

Ein lauschiges Fleckchen Erde ist es schon, das Sportgelände des TSV 1846. Idyllisch in einem Wäldchen in Erlenstegen gelegen, an einem etwas zu warmen Samstagnachmittag spenden die Bäume Schatten – ein hübsches Ausflugsziel eigentlich, würden nicht dreißig Rugbyspieler die Ruhe mit ihren Versuchen, den Ball in Richtung des gegnerischen Malfeldes zu schreien, empfindlich stören.

Das ergraute Pärchen, das auf einer Bank am Spielfeldrand Platz genommen hat und das Durchschnittsalter am Spielfeldrand merklich anhebt, wirkt aber nur auf den ersten Blick, als sei es von einem plötzlich beginnenden Rugbyspiel bei der Turtelei gestört worden.

Für Herrn Frosch, wie er sich später vorstellt, war die Zweitliga-Begegnung der Nürnberger Rugbyspieler mit dem RC Bonn vielmehr ein wichtiger Bestandteil des Besuchs bei seiner Nürnberger Freundin – eigentlich lebt er seit über fünfzig Jahren in Südafrika, wo Rugby Volkssport ist, wo selbst Schülerspiele 5000 Zuschauer anlocken und die Provinzmeisterschaften Gassenhauer sind. Zustände, von denen Alexander Michel freilich nur träumen kann. Der hatte die Nürnberger Rugbymannschaft vor fünfzehn Jahren aufgebaut, mittlerweile ist er Präsident des Bayerischen Rugbyverbandes. Und als seine ersatzgeschwächten Nürnberger Mitte des zweiten Durchgangs langsam auseinanderfallen und Bonn, angeführt von einem überragenden Spielertrainer Melvine Smith von 14:10 auf 42:10 davonzieht, hat Michel Zeit, dem Gast aus Südafrika eine kleine Einführung über die Stellung des Rugbysports in Deutschland zu geben – da, sagt er, „schwingt viel Frust mit“.

"Wände aus Gummi“

Seit fünfzehn Jahren engagiert er sich, „zehn, fünfzehn Stunden die Woche“ arbeitet er nur für Rugby. Und immer noch rennt er gegen „Wände aus Gummi“. Bei Sponsoren, die kaum Geld für den Sport ausgeben. Bei den Medien, die dem Rugby zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Bei den Zuschauern, die er ohne Geld und Kooperationsbereitschaft nicht erreicht: „Wir wollten in Sportgeschäften Plakate aufhängen. Keine Chance.“ Und immer wieder geht es um das Image als brutalen Sport, in dem sich dieser Kreislauf begründet.

Rugby: Dreißig Schreihälse und Affenhitze

Komisch, findet auch Frosch: „Eigentlich passt der Rugby doch perfekt in die deutsche Mentalität; Disziplin, Teamgeist, Kampf. Bei uns in Südafrika haben viele gute Spieler deutsche Wurzeln“ – Nationalspieler Bismarck du Plessis lässt grüßen. So ist auch der neue Trainer Toni Cirico schnell beim „Kampf gegen Windmühlen“, wenn man ihn nach der zweiten Niederlage im zweiten Saisonspiel nach den Ursachen fragt.

Den Ausfall von acht Stammspielern könne er mit dem dünnen Kader nicht kompensieren – auch hier fehlt die Anziehungskraft. Zudem steht der Trainer vor dem Problem, dass einige Studenten aus rugbyaffinen Ländern im Kader stehen. Die haben zwar schon Erfahrung, sind meist nach einem halben Jahr aber auch wieder weg – für den taktisch anspruchsvollen Sport ist das ein wenig nachhaltiges Fundament, das in der Frühphase der Saison Anpassungsschwierigkeiten mit sich zieht.

Nach der 0:52-Niederlage in Handschuhsheim setzte es also auch gegen Bonn eine deutliche Niederlage, obwohl die Nürnberger das Spiel phasenweise kontrollierten. Zweimal hatte man im ersten Durchgang nach einem Scrum, dem Gedränge um den Ball, nicht schnell genug reagiert, zweimal bestrafte das Melvine Smith. Der Ex-Profi aus Südafrika ist vor zwei Jahren der Liebe wegen nach Bonn gekommen, hier will er „die Leute für den Rugby öffnen“, wie er sagt – am Samstag öffnete er mit seinen Seitenwechseln vor allem die Nürnberger Defensive.

In der zweiten Hälfte trat Nürnberg in der Offensive deutlich zwingender auf, belohnte sich mit zwei Versuchen und kam auf 10:14 heran. „Das konnten wir aber nicht über die achtzig Minuten durchziehen, besonders als ich dann wegen der Hitze ein paar Wechsel durchführen musste“, sagt Cirico. „Und dann machen wir Fehler im Umschaltspiel in die Defensive“. Bonn zog auf 42:10 davon.

Unter Wert geschlagen

Die unter Wert geschlagenen Nürnberger hoffen, in Frankfurt den ersten Saisonsieg einzufahren. „Da ist man schon immer eine Weile unterwegs“, meint Spieler Martin Deinzer, der als Diakon arbeitet. „Aber ich sehe das auch als Horizonterweiterung. Man kommt rum, von den Bonnern kennen wir die halbe Mannschaft.“ Das sei er auch, der Rugby Spirit, betonen Deinzer und Cirico unisono. „Rugby heißt Respekt vor dem Gegner. Und nach dem Spiel steht man zusammen und trinkt ein Bierchen.“

Auch Deinzer würde sich freuen, wenn sein Sport ein bisschen mehr Beachtung fände, bei den Medien, bei den Zuschauern. „Heute waren ja zumindest ein paar da, die nicht direkt mit dem Verein zu tun haben“, sagt er. Zum Beispiel Herr Frosch und seine Freundin, die mit dem Rugby vorher so gar nichts am Hut hatte. „Ich hab’ immer gmeint, die ham an Badscher“, sagt sie. Aber wenn man sich das so ansehe, sei es ja doch ein ganz schöner Sport.
 

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