S-Bahn-Vergabe in Nürnberg: Gewerkschaft attackiert Freistaat

7.7.2015, 19:06 Uhr
Der Streit um die Vergabe der Nürnberger S-Bahnen geht weiter.

© Arno Stoffels Der Streit um die Vergabe der Nürnberger S-Bahnen geht weiter.

Im Südwesten von München war die Überraschung Ende April groß. Hier, in der Boschetsrieder Straße im Stadteil Obersendling, sitzt die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG). Von hier aus plant sie im Auftrag des Freistaats den gesamten Schienenpersonen-Nahverkehr für Bayern. Und hier war Anfang Februar auch die Entscheidung gefallen, den Betrieb der Nürnberger S-Bahn von 2018 an neu zu vergeben.

Als Gewinner der Ausschreibung präsentierte die BEG das Unternehmen National Express Rail GmbH (NX), die Deutschlandtochter der britischen National Express Group. Doch jetzt war NX von der Vergabekammer Südbayern aus dem Rennen geworfen worden.

Ein entsprechender Antrag der unterlegenen Bahntochter DB Regio Franken auf Überprüfung der Vergabe hatte Erfolg gehabt. BEG-Chef Johann Niggl erklärte daraufhin, dass die Entscheidung völlig überraschend gekommen sei. Schließlich hätten ja auch unabhängige Gutachter das Vergabeverfahren begleitet und keinerlei Risiken feststellen können. So hatte Niggl auch bereits am 12. Februar vor dem Wirtschaftsausschuss des Landtags argumentiert.

Laut Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) war die BEG aber sehr wohl vor der umstrittenen Vergabe an NX von den Gutachtern schriftlich über bestehende Risiken unterrichtet worden. Deshalb fordert Frank Hauenstein, Leiter der EVG-Geschäftsstelle Nürnberg, von der BEG jetzt die Offenlegung aller Gutachten im Landtag. "In diesen wurde die BEG bereits deutlich auf Risiken der zu hoch angesetzten Fahrgastzahlen und die ungenügende finanzielle Absicherung bei National Express hingewiesen. Genau diese Punkte wurden durch die Vergabekammer gerügt."

Weil der Wettbewerb bei Ausschreibungen im Nahverkehr in den letzten Jahren erlahmt ist und oft nur noch DB Regio als Bieter auftritt, versuche die BEG offenbar "mit allen Mitteln den Wettbewerb anzufeuern". Es liege nun an BEG-Chef Niggl, "Licht ins Dunkel" zu bringen, so Hauenstein. Schließlich arbeite die BEG "mit Steuermitteln der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb muss die Öffentlichkeit auch umfassend informiert werden."

Die BEG erklärte bereits vor einigen Wochen auf eine entsprechende Anfrage von uns, die Sachverständigen hätten seinerzeit zwar neben dem Betriebs-, Fahrzeug- und Werkstattkonzept die Angebotskalkulation von NX und die sich daraus möglicherweise ergebenden Risiken beleuchtet. Das Ergebnis der Sachverständigen sei unter dem Strich aber gewesen, „dass etwaige Risiken als tragfähig einzustufen sind“ und es „keinen vergaberechtlichen Anhaltspunkt“ gebe, NX auszuschließen. Auch in der übergeordneten Verkehrsabteilung im Bayerischen Innenministerium will niemand etwas von den Zweifeln der Gutachter gewusst haben.

An diesem Donnerstag (9. Juli), wird in letzter Instanz vor dem Oberlandesgericht in München über den Einspruch der BEG gegen die Vergabekammer-Entscheidung verhandelt.

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