Schau an, die neue Männlichkeit: Der Bart ist zurück

9.9.2013, 07:54 Uhr
Vom Henriquatre bis zur Kotelette — Männer haben die Qual der Wahl.

© Gillette Vom Henriquatre bis zur Kotelette — Männer haben die Qual der Wahl.

Insbesondere zwei Barttypen, gewissermaßen die Klassiker, sind mittlerweile recht häufig auf dem Laufsteg wie auf der Straße zu sehen: der Vollbart und der Drei-Tage-Bart. Thorsten Staudt, Chef von „Jimmy Ray’s Barber Shop“ (Kappengasse 6), spricht da schon von der „neuen Männlichkeit“. Mehr noch: „Die Männer schwimmen sich frei.“ Nach dem ästhetischen Beckham-Dogma der Neunziger (jedes Haar am Körper wird abrasiert) und den optischen Zumutungen muskelbepackter, aber auch furchtbar glatter Oberkörper auf den Titelseiten diverser Männerzeitschriften wird nun wieder selbstbewusst Haar getragen.

„Sogar in der Geschäftswelt ist der Bart zurück“, sagt Staudt. Bei den Anzugherren auf seinen Barbierstühlen herrscht zwar noch eine gewisse Unsicherheit vor (Mit Bart ins Büro? Geht das überhaupt?). Aber auch hier sei der Trend eindeutig. Aus gutem Grund, wie Enrico Heindl findet: Der Bart schmückt das Gesicht des Mannes, und er unterstreicht die Persönlichkeit, meint der Obermeister der Nürnberger Friseur-Innung, der auch Junior-Chef vom „Friseur des Herrn“ (Lorenzer Straße 30) ist. Männer würden mittlerweile mehr auf sich achten. Sie benutzen Cremes, pudern sich ab, lassen sich maniküren — und pflegen die Bartkultur. „Der Mann darf wieder herb aussehen, die Zeit der Popo-Gesichter ist vorbei.“

Vorbild Pep Guardiola

Vor allem ein Bart ist laut Heindl derzeit in Mode: der Drei-Tage-Bart. „Er war schon immer beliebt, früher aber war er nicht so geformt, nicht so sauber.“ Zwei Varianten gibt es: Zum einen den über die Halsfalte „auslaufenden“ Drei-Tage-Bart, wie ihn Pep Guardiola trägt. „Was etwas ungepflegt aussieht und auch so aussehen soll, aber nicht ungepflegt ist.“ Worauf es nämlich ankommt: den Bart stets kurz zu halten, zwei bis drei Millimeter lang. Das bekommt man(n) auch mühelos alleine hin: Aufsatz auf den Bartschneider, rasieren, fertig.

Anders ist es mit dem geformten Drei-Tage-Bart. Begrenzt man den Wuchs, etwa an der Halsfalte oder den Wangen, gibt man dem Bart eine Form. Das sieht fein aus, macht aber die Pflege schwieriger. Um die Form zu halten, braucht es einen Nassrasierer, eine ruhige Hand und klares Augenmaß. Kurzum: Die Kontur wird leicht schief. Heindl empfiehlt daher: alle zehn Tage zum Barbier.

Und bei einem sechs bis neun Millimeter langen Vollbart? Da genüge zur Pflege eine Bartschneidemaschine mitsamt Kamm. Wer allerdings auch hier Wert auf Form legt, auf einen akkuraten Verlauf des Vollbarts, der muss sich, je nach Geschick, ebenfalls die Hilfe eines Fachmanns holen.

Schnauzer: Relikt aus den 80ern

Übrigens: Männer, die zum Doppelkinn neigen, sollten den Bart nicht über die Wölbung wachsen lassen — das betont das Doppelkinn. Und: Wer ein breites Gesicht hat, ist gut beraten, auf Koteletten zu verzichten. Die Entscheidung für einen Barttypen, ob Goatee, Soulpatch oder Kinnstreifen, darf also nicht nur von Mode und Männlichkeitswirkung abhängen, sondern auch von der eigenen Kopfform.

Barttypen, die allerdings „total out“ sind: Gunslinger, Hufeisen und Henriquatre (Stefan Raab!), Ziegenbart und Schnauzer. Letzterer, der Schnurrbart, ist ein Relikt aus den Achtzigern — stilbildend war damals Tom Selleck in „Magnum“. Ein Stil, dem heute noch, so scheint es, insbesondere Polizeibeamte gerne treu bleiben. Aber: Da die Achtziger längst wieder (zum Leidwesen vieler) ästhetisch zitiert werden, ist auch der Schnauzer nicht mehr bei allen jungen Männern verpönt; Hipster lassen ihn sich bisweilen stehen.

Auf Nürnbergs Straßen indes dominieren Drei-Tage-Bart und Vollbart. Jan Suk etwa trägt Vollbart. Die schlichten Gründe: Der 25-jährige Musiker ist kein Freund regelmäßiger Rasur; mit Bart sieht er älter aus; außerdem stünden Frauen auf Bärte.

Tobias Hüttmeyer will noch einen Schritt weitergehen. Der 24-jährige Student trägt einen wildwachsenden Drei-Tage-Bart, aus dem ein „Sparrow“ werden soll, jener Piratenbart mit zwei Kinn-Zöpfen, der nach Jack Sparrow (Johnny Depp) aus „Fluch der Karibik“ benannt ist. Die Motivation? Männlich aussehen. Ohne Bart fehle etwas an ihm.

Mathias Wahl dürfte es ähnlich gehen. Der 31-Jährige ragt aus der Masse der Bartträger heraus, mit seinem Ziegenbart, der satte 37 Zentimeter lang ist. Wie es sich damit lebt? An sich gut, meint er. Nach dem Duschen wird geföhnt, mehr Pflege sei nicht nötig. Aber im Alltag ist der Bart oft unpraktisch. „Er stört beim Motorradfahren, und im Auto verheddert er sich schon mal mit dem Sicherheitsgurt.

 

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