Schwarzenberg-Archiv: Erste Ergebnisse liegen vor

10.9.2012, 19:53 Uhr
Schwarzenberg-Archiv: Erste Ergebnisse liegen vor

© Roland Fengler (Archivbild)

Das Liebesabenteuer hätte Wolf Heinz von Windsheim beinahe den Kopf gekostet. Hatte er doch, so räumte der Heißsporn reumütig ein, dem Wirt in Dürrwangen „das eheliche Weib entfremdet und entführt und sich damit dem Tod verschuldet“. Doch der gehörnte Ehemann gab sich vor dem Ortsgericht milde.

Statt die Todesstrafe zu fordern, war es ihm ausreichend Genugtuung, den Ex-Liebhaber seiner Frau für ein paar Wochen hinter Gittern zu sehen: Chronik eines Ehebruch-Dramas aus dem Jahre 1426 – verzeichnet auf leicht vergilbtem Pergament-Papier, die Schrift aber noch so klar, als sei das Dokument erst gestern verfasst worden.

Daniel Burger bekommt beim Anblick der sogenannten Urfehde-Urkunde glänzende Augen. „Das ist ein Blick ins Leben jener Zeit, ein Stück Sozialgeschichte des Mittelalters“, schwärmt der Beständereferent im bayerischen Staatsarchiv in Nürnberg. Sorgsam faltet er das Dokument wieder zusammen und verstaut es in einem Einband aus grauem Karton.

Die mit drei Siegeln versehene Erklärung, mit der der Verurteilte schriftlich zusicherte, dass er sich für die verbüßte Strafe nicht rächen werde, ist Teil des sogenannten Schwarzenberg-Archivs.

Seit Herbst vergangenen Jahres füllt die Akten- und Dokumentensammlung des mittelfränkischen Adelsgeschlechts der Schwarzenberger 750 Regalmeter in der Nürnberger Staatsarchiv-Dependance. Was das Archiv so einzigartig macht: Mit 3500 Urkunden, 1800 Amtsbüchern und 20 000 Rechnungen ist es ein fast lückenloser Spiegel der fränkischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte zwischen 1336 und 1899. Inzwischen habe Archivare mit der Registrierung der Dokumente erste Schätze geborgen – wie eine Zeitmaschine erlaubt Ihnen das Archiv, sich in die Zeit vor 500 oder 600 Jahren zu versetzen.

Der Zweite Weltkrieg hatte es mit sich gebracht, dass die riesige Dokumentensammlung fast 70 Jahre lang für deutsche Historiker unzugänglich war. Denn mit dem Vorrücken der Alliierten hatten die Nazis 1944 veranlasst, dass das wertvolle Archiv vom fränkischen Scheinfeld an den böhmischen Familiensitz nach Krummau gebracht wurde - gegen den Willen des enteigneten Fürsten Adolf zu Schwarzenberg.

Nach dem Krieg behielten die Tschechen es unter Verschluss. Erst der Fall des Eisernen Vorhangs und jahrelange Verhandlungen machten es möglich, dass – wie es das heutige Familienoberhaupt, der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg, sagte – „Mittelfranken wieder seine Geschichte zurückerhält“. Historiker dürften von der Akribie seiner Vorfahren profitieren. „Meine Familie war schon immer archiv-närrisch“, hatte Schwarzenberg bei einem Festakt im vergangenen Dezember in Nürnberg betont. „Das Archiv wird Forschern wertvolle Beiträge über die deutsche und mitteleuropäische Geschichte liefern.“

Für Archivar Burger ist das Schwarzenberg-Archiv vor allem ein Abbild des fränkischen Alltags in früheren Jahrhunderten. „Wir erfahren viel darüber, wie ertragreich die Landwirtschaft Mittelfrankens war, wie kriminell die Region war und wie Höfe und Fluren aussahen“, macht Burger deutlich. So listen „Salbücher“ detailliert die von Bauern zu entrichtenden Abgaben an die Obrigkeit auf. Für Niclas Weber aus Scheinfeld ist etwa im Salbuch aus dem Jahr 1506 vermerkt, er habe „von seiner Haus- und Hofreit 4 Käs und 1 Fastnachtshuhn“ zu entrichten.

Mit einer großen Liebe zum Detail ist auch der Hof- und Landbesitz im Herrschaftsbereich der Schwarzenbergs erfasst. Dicke Flurbücher enthalten neben der schriftlichen Beschreibung von Äckern und Wiesen akribisch gezeichnete Skizzen der Grundstücke. Auch die Verheerungen des 30-jährigen Krieges sind in Flurbüchern dokumentiert.

Immer wieder ist dort von abgebrannten Bauernhäusern die Rede, und von „Exulanten“, Religionsflüchtlingen, die verlassene Höfe wieder aufbauen sollten. Wie sehr die Bevölkerung für die Bauernkriege büßen musste, zeigen Schadenersatzforderungen des Adels für abgebrannte Burgen.

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