Socken brannten: Sadisten im Gostenhofer Säufermilieu?

25.12.2014, 14:20 Uhr

Er habe in seiner jahrelangen Tätig­keit als Gerichtsgutachter selten ei­nen derartigen Fall von Quälerei er­lebt, sagt der Sachverständige Tho­mas Lippert vor der 2. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Der forensische Psychiater hat die bei­den Männer begutachtet, die sich bereits seit Anfang Dezember wegen erpresserischen Menschenraubes vor Gericht verantworten müssen.

Laut Staatsanwaltschaft sollen die Angeklagten im Alter von 36 und 45 Jahren im Februar 2014 einen Bekann­ten stundenlang gequält und um Geld erpresst haben. Der 39 Jahre alte Ge­schädigte Willi B. war am 3. Februar bereits am Vormittag in die Wohnung des 45 Jahre alten Klaus H. (alle Na­men geändert) in Gostenhof gekom­men. Die beiden Männer tranken den ganzen Tag Bier und Schnaps, gegen Abend stieß dann Juri P. zu dem Trink­gelage dazu. Irgendwann forderte Klaus H. Geld von Willi B., weil dieser hin und wie­der in seiner Wohnung übernachtete.

Je mehr Schnaps floss, desto höher wurde der Überachtungspreis: Von an­fangs 70 Euro für drei Nächte, steiger­te er sich auf 330 Euro. Laut Anklage verlieh Gastgeber H. seinen Forderun­gen mit heftigen Faustschlägen und Fußtritten in das Gesicht von Willi B. Nachdruck. Juri P. soll ihm das Knie ins Gesicht gestoßen haben und dann angefangen haben, den Mann mit Feu­er zu quälen. Unter anderem steckte er laut Anklage die Socken von B. in Brand und rammte ihm einen Schrau­benzieher in den Oberschenkel. Schließlich soll Klaus H. auf sein am Boden liegendes Opfer uriniert und ihm gedroht haben, ihm die Genitali­en abzuschneiden.

Opfer am Boden zurückgelassen

Obwohl Willi B. durch die Miss­handlungen schwer verletzt war, sol­len die beiden Angeklagten ihn ge­zwungen haben, am U-Bahnhof Gos­tenhof Geld für Alkohol für sie zu schnorren. Offenbar merkten die Män­ner, dass der 39-Jährige dazu nicht mehr in der Lage war. Sie stellten ihm ein Bein, Willi B. stürzte. Klaus H. und Juri P. ließen den Mann am Bo­den liegen und trollten sich. Eine Überwachungskamera zeichnete Teile des Geschehens auf. Ein Passant fand Willi B. Der 39-Jährige kam ins Kran­kenhaus. Dort wurden unter anderem die Pfählungsverletzung am Bein, die schweren Brandwunden und ein Na­senbeinbruch behandelt.

Die beiden Angeklagten haben bis­lang keine genaueren Angaben zu den Vorwürfen gemacht. Sie behaupten, volltrunken gewesen zu sein und sich nicht mehr an den Abend erinnern zu können. Der psychiatrische Sachver­ständige geht davon aus, dass die bei­den offenbar schwer alkoholabhängi­gen Männer trotz hoher Promillewer­te nicht komplett von Sinnen waren. Auf den Videoaufnahmen im U-Bahn­hof würden sie aufrecht gehen und miteinander kommunizieren, so der Gutachter. Er empfahl für beide Ange­klagten die Unterbringung in einer Entzugsklinik.

Eine Therapie will zumindest Juri P. machen. „Der Alkohol hat mein Leben zerstört“, sagt der Mann aus Po­len vor Gericht. Er habe einen vierjäh­rigen Sohn in Franken, für den er da sein wolle, deshalb sei er hoch moti­viert, besser Deutsch zu lernen und die Therapie durchzuziehen.

Klaus H., der bereits mehrfach we­gen vorsätzlicher Körperverletzungen vorbestraft ist, ist wegen eines weite­ren Gewaltdelikts angeklagt: Der 45­Jährige soll wenige Tage vor der Miss­handlung von Willi B. einen anderen Kumpel aus dem Gostenhofer Säufer­milieu geschlagen und getreten ha­ben. Der damals 43-jährige Mann ist mittlerweile gestorben. Das Gericht verlas deshalb seine Aussage bei der Polizei. Am 8. Januar wird der Pro­zess mit weiteren Zeugen fortgesetzt.

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