Söder in Athen: "Griechenland hat einen Marathon zu laufen"

8.5.2017, 15:35 Uhr
Söder in Athen:

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Herr Söder, wie beurteilt Ihr griechischer Kollege die wirtschaftliche Lage seines Landes und wie beurteilen Sie sie?

Söder: Er beurteilt sie positiver als ich. Aber entscheidend ist, dass es tatsächlich Schritte nach vorne gibt. Es ist ein Marathon, den Griechenland zu laufen hat. Aber wir sind nicht kurz vor dem Ziel, sondern noch kurz nach dem Start. Man darf nicht vergessen: Griechenland hatte nie die Bedingungen für den Eintritt in den Euro erfüllt. Es wurde damals gemogelt. Deshalb ist der Abstand, den Griechenland immer schon hatte, deutlich größer als bei jedem anderen Land. Umso schneller muss Griechenland nun Reformen machen, und da gibt es auch keine Abkürzungen, sondern Athen muss die ganze Strecke gehen.

Es gibt eine grundsätzliche Einigung zwischen Griechenland und den internationalen Geldgebern für ein drittes Hilfspaket. Dafür muss Griechenland die Renten erneut kürzen, außerdem sinkt der Steuerfreibetrag. Wie lange kann man diesen Kurs des Sparens und Streichens, der zu Lasten der Bevölkerung geht, noch fortsetzen?

Söder: Der Kurs muss fortgesetzt werden. Es geht nicht nur um die Kürzung von zum Teil deutlich überhöhten Renten, sondern um Arbeitsmarktreformen. Griechenland muss dringend eine Agenda 2010 vollziehen und eine weitgehende Neuorganisation seines Staatswesens schaffen. Da liegt die größte Herausforderung. Der Reformdruck muss bleiben. Würde Europa nachgeben, dann würde Griechenland am Ende nicht ökonomisch erfolgreich sein. Wir haben deshalb klargemacht: Es gibt keine Schuldenerleichterung, keinen Schuldenschnitt, keine Vergemeinschaftung von Schulden. Der Reformdruck muss unvermindert hoch bleiben.

Griechenland hat vermeldet, dass es im aktuellen Staatshaushalt einen Überschuss gibt, wenn man den Schuldendienst herausrechnet. Ist das nicht ein positives Zeichen?

Söder: Das ist ein zartes Pflänzchen, das wächst. Deshalb macht auch ein Grexit (Ausstieg Griechenlands aus der EU, Anm.d.Red.) derzeit keinen Sinn. Man sollte das zarte Pflänzchen pflegen und düngen, anstatt es herauszureißen.

Griechenland ist mit über 300 Milliarden Euro verschuldet, Deutschland ist mit etwa 80 Milliarden Euro an Krediten und Bürgschaften dabei und profitiert von den Zinszahlungen Griechenlands dafür. Ist es aber überhaupt realistisch, dass angesichts des Schuldenstands im Verhältnis zur griechischen Wirtschaftleistung die Schulden ewig bedient werden können?

Söder: Ja. Denn die Rückzahlungsvereinbarungen sind auf eine sehr lange Zeit angelegt, bis in die 2050er Jahre hinein. Die Zinsen sind außerordentlich niedrig, zum Teil werden sie über längere Zeiträume gestundet. Das ist für die Ökonomie Griechenlands deshalb eine zu vernachlässigende Frage. Viel wichtiger ist der Aufbau einer modernen Verwaltung, eines vernünftigen Steuer- und Katasterwesens, etc. Dafür machen wir auch Angebote. Ein Schuldenschnitt ist eher eine politische Hoffnung der linken Regierung, aber ein falscher Ansatz. Damit wäre dann real Geld für Deutschland verloren, und wir sind nicht bereit, dem deutschen Steuerzahler diesen Verlust auf die Rechnung zu schreiben.

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