Soldat tarnt sich als Syrer: Eklatantes Versagen beim Bamf

29.4.2017, 21:13 Uhr
Soldat tarnt sich als Syrer: Eklatantes Versagen beim Bamf

© dpa

Das Asylverfahren, das ein 28-jähriger Bundeswehrsoldat als vermeintlich syrischer Flüchtling durchlaufen hat, offenbart massive Mängel. Nicht nur Anhörung und Bescheid sind unzulänglich, auch an anderer Stelle hätte das  Bamf stutzig werden können. Denn schon früh fiel auf, dass der Mann unter seiner angeblichen Identität kaum in Erscheinung trat. Das zeigen  Bamf-Unterlagen, die den Nürnberger Nachrichten vorliegen.

Demnach gab es am 5. Oktober 2016 einen Behörden-Vermerk, der sich in der elektronischen Asyl-Akte befindet, die den Nürnberger Nachrichten vorliegt. Der Antragsteller, heißt es darin, wohne zwar noch in der ihm zugewiesenen Unterkunft in Baustarring bei Kirchberg (Landkreis Erding), aber "er ist viel unterwegs". Deswegen werde man zusätzlich eine Ladung zur Asylanhörung an das Sozialamt mailen. Geladen zur Asylanhörung  wird der  Oberleutnant, der unter dem Namen David Benjamin Asyl beantragte, dann am 24. Oktober 2016. Doch die Ladung wird vom Helferkreis an das  Bamf zurückgeschickt. "Herr Benjamin kam noch nie nach Baustarring", schreibt der zuständige Helferkreis  als Kommentar  auf das Schreiben des Bamf.  

Franco A. wurde angehört - auf französisch

In der  Bamf-Außenstelle ging dies  am 2. November ein, einen Tag später dann in der  Beuthener Straße in Nürnberg - dort ist ein Anhörungszentrum des Bamf untergebracht. Stutzig machte das niemanden: Am 7. November wurde der angebliche  syrische Flüchtling  80 Minuten lang angehört – auf französisch und pikanterweise von einem Bundeswehrsoldaten, der an das Bamf abgeordnet war und die Behörde nach Informationen der Nürnberger Nachrichten inzwischen wieder verlassen hat.

Bei der Anhörung gab der vermeintliche Flüchtling an, am 8. Februar 1988 geboren zu sein, er sei Syrer und Christ und gelernter Landwirt und  werde wegen seines Glaubens verfolgt. Wegen seines jüdisch klingenden Namens sei er in Syrien nie akzeptiert worden. Er stamme aus der Ortschaft Tel al-Hassel und habe das Gymnasium Mission  Laique  Francais besucht. Diese Schule gibt es wirklich, allerdings liegt sie gut 20 Kilometer von dem angeblichen Wohnort entfernt – in Aleppo.  

Das Abhörprotokoll liest sich absurd

Fliehen müssen habe er nach einem Angriff, sagte der Mann. Der IS habe seine Familie überfallen und den Vater getötet, er selber sei durch einen Granatsplitter verletzt worden. Diese angebliche Verletzung überprüfte jedoch niemand – entgegen der üblichen Gepflogenheiten. Auch sonst klingt seine Schilderung – jedenfalls so, wie sie niedergeschrieben wurde -  wirr und abgehackt. Er erklärt an einer Stelle, wegen seines Glaubens nicht von der Regierung verfolgt zu werden, an einer anderen aber, von der arabischen Bevölkerung nicht akzeptiert zu werden. Nachfragen dazu gab es jedoch nicht – auch nicht zum Tod des Vaters oder der angeblichen Verfolgung durch den IS.

Geradezu absurd klingen heute die letzten Sätze des Anhörprotokolls: Der Antragsteller, heißt es, habe bestätigt, "dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gab". Zudem wurde ihm – dessen Muttersprache ja eigentlich Deutsch ist - die auf  deutsch verfasste Niederschrift ins Französische rückübersetzt.  

Innenminister will "lückenlos aufklären"

Der Asylbescheid - er soll nach Informationen der Nürnberger Nachrichten von einem Entscheider bearbeitet worden sein, der von der Bundesagentur für Arbeit an das  Bamf  gewechselt ist - erging bereits am 16. Dezember 2016, demnach bekam der vermeintliche Syrer einen subsidiären Schutz. Es sei davon auszugehen, dass "dem Antragsteller in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden" drohe. Flüchtling sei er jedoch nicht – der Entscheider beim Bamf sah also keine Verfolgung aufgrund religiöser Gründe. Er habe "durch seinen Sachvortrag eine Kausalität zwischen möglichen Verfolgungshandlungen" und Asylgründen "nicht ausreichend" dargelegt. Letztlich bekam der angebliche Flüchtling den Schutz, den die allermeisten Syrer erhalten – begründet durch den Bürgerkrieg im Land.

Zweifel an der Identität des Mannes hatten jedoch weder  Anhörer  noch der Entscheider. Auch Monate vorher, am 12. Mai 2016, sah die Bamf-Außenstelle in Zirndorf keinen Grund, seinen Angaben nicht zu trauen. Man händigte ihm bei der Stellung seines Asylantrags einen Antrag auf Zulassung zum Integrationskurs "und das dazu gehörende  Merkblatt in der Herkunftssprache" – arabisch – aus. Weiter heißt es: "Die Prüfung der im Rahmen der Antragsstellung gewonnen Informationen ergibt keinen Hinweis, dass die Person nicht aus Syrien stammt."

Der Fall Franco A. beschäftigt mittlerweile auch die Politik. Am Samstag kündigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière "lückenlose Aufklärung" an. Sein Ministerium werde jetzt "jeden Stein umdrehen, bis wir wissen, wie es dazu kommen konnte", sagte ein Sprecher in Berlin.

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