Symptome, die zu vielen Krankheiten passen

12.11.2015, 20:44 Uhr
Symptome, die zu vielen Krankheiten passen

© Foto: Mathias Orgeldinger

„Wenn der Wind weht, weht es auch in meinem Kopf“, sagt Hannelore Beke, Leiterin der Selbsthilfegruppe Syrinx- Nordbayern. Wind, Kälte und Feuchtigkeit machen ihr besonders zu schaffen. Wenn es „pfeift“, legt sie sich hin, zieht ein Kissen über den Kopf und wartet auf Besserung. Tabletten helfen nicht. Frau Beke leidet unter Syringomyelie, einer seltenen Erkrankung des Rückenmarks. Trotz globalem Informationsaustausch bedeutet „selten“ in der ärztlichen Praxis häufig noch „unbekannt“. Mediziner versäumen die Diagnose oder können mit ihr nichts anfangen. „Wir werden nicht ernst genommen“, sagt Beke. Und für die Gesundheitsindustrie sind Krankheiten, an denen höchstens 0,05 Prozent der Bevölkerung leiden, wirtschaftlich uninteressant.

Dabei trägt die Krankheit doch einen einprägsamen Namen, hinter dem sich ein griechischer Mythos verbirgt. Syrinx war eine Nymphe, die sich dem wollüstigen Hirtengott Pan verweigerte. Auf der Flucht vor dem Unhold ließ sie sich in ein Bündel Schilfrohr verwandeln. Pan schnitt die Halme, fügte sie mit Wachs zusammen, fertigte die „Panflöte“ und nannte sie „Syrinx“.

Patienten mit Syringomyelie weisen einen länglichen, flüssigkeitsgefüllten Hohlraum im Rückenmark auf, der nach dem griechischen Wort für Röhre (oder Flöte) „Syrinx“ heißt. Besonders auf Höhe der Hals- und Brustwirbelsäule können sich eine oder mehrere Syrinx bilden. Die Syrinx engt den Platz für die Nervenzellen des Rückenmarks ein, was zu zahlreichen Beschwerden und Lähmungen führen kann. Typisch sind migräneartige Kopfschmerzen, Krämpfe, Schlaflosigkeit, Gleichgewichtsstörungen, Inkontinenz von Blase und Darm, Taubheitsgefühl in den Händen oder Hitzeunempfindlichkeit.

„Diese Symptome passen zu ganz vielen Krankheiten, weshalb die eigentliche Ursache oft nicht erkannt wird“, sagt Gerda Pirner von der Selbsthilfegruppe. Da werde man schnell in eine psychische Schublade gesteckt.

Auch im Röntgenbild sei die Syrinx unsichtbar. Die einzig sichere Diagnose führe über die Magnetresonanztomographie (MRT). „Oder über die Leichenschau“, spottet Pirner. Aber das sei ihr zu spät.

„Ich hatte schon von klein auf Beschwerden, wurde zuerst auf Skoliose, dann auf Bandscheibenvorfall behandelt“, erzählt Pirner. „Als ich über die MRT endlich die Diagnose bekam, wusste kein Arzt, wie man eine Syringomyelie behandelt. Erst über eine Selbsthilfegruppe in Hamburg kam der Kontakt zu einem Mediziner zustande, der mich vor etwa zehn Jahren operiert hat.“

„Heute finden die Patienten sehr viel schneller einen Ansprechpartner“, betont Hannelore Beke. Nicht zuletzt durch die Aufklärungsarbeit der Selbsthilfegruppe (SHG) Syrinx-Nordbayern im Internet und auf Veranstaltungen wie dem Gesundheitstag. „Wir kennen die Experten auf diesem Gebiet.“

Frau Beke hat eine sogenannte Chiari Malformation. Bei diesem Krankheitsbild verlagern sich Teile des Kleinhirns durch das Hinterhauptsloch bis in den Rückenmarkskanal. Dies führt zu einer Behinderung der Zirkulation von Nervenwasser, die ihrerseits eine Syringomyelie auslösen kann.

Die SHG trifft sich alle zwei Monate in den Räumen von KISS Nürnberg am Plärrer 15. Im Schnitt kommen etwa 15 Personen, Betroffene und Angehörige. „Der Zusammenhalt ist unsere Stärke“, sagt Beke. „Wir sind inzwischen wie eine große Familie.“

Selbsthilfegruppe Syrinx-Nordbayern, Hannelore Beke 0911 / 71 71 41, www.syrinx-nordbayern.de

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