Syrer will krebskranke Frau nach Nürnberg holen - vergeblich

30.5.2015, 15:00 Uhr
Syrer will krebskranke Frau nach Nürnberg holen - vergeblich

© Stefan Hippel

Eigentlich könnte Kassem Al Nezami dankbar sein. Dankbar dafür, dass er dem Bürgerkrieg in Syrien entkommen ist. Oder dafür, dass er und Sohn Mohammad (10) Zuflucht in Deutschland gefunden haben.

In Nürnberg, wo sich die beiden ein kleines Zimmer im ehemaligen Hotel am Stadtpark teilen, haben sie mehr als nur ein Dach über dem Kopf: Der Kleine geht zur Schule, sein Vater besucht einen Deutschkurs und als anerkannte Flüchtlinge erhalten sie zusammen rund 600 Euro im Monat für ihren Lebensunterhalt.

Dennoch wird der 38-jährige Syrer seines Lebens nicht froh. Im Ausländeramt hat er sogar versucht, seinen Aufenthaltstitel zurückzugeben und forderte allen Ernstes, nach Syrien abgeschoben zu werden. Der Grund: Tochter Zynab (9) und seine Ehefrau Hanadi sitzen in der Türkei fest und dürfen nicht nach Deutschland.

Al Nezami musste die 34-Jährige, die an fortgeschrittenem Krebs leidet, in Anatolien zurücklassen. "Sie hätte unmöglich quer über den Balkan mit uns laufen können", erklärt er. Sein Plan, die beiden nach erfolgreicher Flucht einfliegen zu lassen, scheitert aber am deutschen Generalkonsulat in Istanbul, das Mutter und Tochter bislang keine Visa erteilt.

Monatelanger Papierkrieg

Dabei hätte Al Nezami Anspruch darauf, seine Angehörigen nach Deutschland zu holen, erklärt Anwalt Oðuzhan Çelik. Doch der Antrag auf Familienzusammenführung, den er im Sommer 2014 gestellt hat, stockt. Beispiel: Die Al Nezamis mussten Speichelproben für einen DNA-Test abgeben, um nachzuweisen, dass sie eine Familie sind. Doch die Proben wurden offenbar nie vom Konsulat — wie vorgesehen — an das Rechtsmedizinische Institut in Erlangen weitergeleitet, so Çelik.

Stattdessen wurden Dokumente zum Nachweis der Ehe verlangt. Doch einen Ehevertrag von 2004, der nach Scharia-Recht von einem Imam ausgefüllt war, wiesen die Beamten zurück und verlangten einen Zivilregisterauszug. Den musste Kassem Al Nezami mühsam und teuer über Mittelsmänner in Syrien beschaffen.

"Weil der Eintrag dort Jahre später erfolgt ist, wird nun beanstandet, dass das Datum nicht mit dem des Ehevertrags übereinstimmt, den das Konsulat zuvor eh abgelehnt hatte", ärgert sich der Anwalt. Zudem bemängelt die Behörde nun, dass Tochter Zynab ja unehelich wäre.

Am meisten nervt den Anwalt, dass oft Tage und Wochen vergehen, bis das Generalkonsulat auf Schreiben reagiert. Seine Beschwerde im Auswärtigen Amt brachte aber ebenso wenig, wie die Intervention der Bundestagsabgeordneten Gabriela Heinrich (SPD), die sich auf Bitte von Helfern einschaltete.

370 Euro für Medikamente überwiesen

Ihrem Büro teilte man aus Istanbul sogar mit, dass man nur auf das Okay der Nürnberger Ausländerbehörde warte. Eine Aussage die laut Çelik nicht stimmen kann: Die Behörde könne erst zustimmen, wenn das Konsulat grünes Licht gibt.

Kassem Al Nezami, der jeden Monat 370 Euro für Medikamente überweisen muss, weil seine Frau keine Krankenversicherung in der Türkei hat, mutmaßt, dass das Generalkonsulat auf Zeit spielt und auf Hanadis Ableben wartet. Er ist mit den Nerven ebenso am Ende wie sein Sohn, der kaum isst und sich einnässt.

"Bevor die Familie zerfällt und Tag für Tag langsam stirbt, sterben wir lieber alle gemeinsam", erklärt er seinen Abschiebungswunsch. Der Syrer betont, dass er vom Ausländeramt bis zu den Helfern nur positive Erfahrungen in Deutschland gemacht hat. Umso unerklärlicher ist ihm die Haltung des Konsulats. „Wo bleibt deren Menschlichkeit?“, fragt er und spekuliert: „Das sind bestimmt keine Deutschen, die in Istanbul arbeiten.“

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