Tiergartenhotel: Flüchtlingsunterkunft ist kaum belegt

23.4.2018, 05:37 Uhr
Gut einsehbar: Am Haupteingang des ehemaligen Tiergartenhotels steht ein Sicherheitsmann. In dem Flüchtlingsheim leben neun Frauen und keine Kinder.

© Michael Matejka Gut einsehbar: Am Haupteingang des ehemaligen Tiergartenhotels steht ein Sicherheitsmann. In dem Flüchtlingsheim leben neun Frauen und keine Kinder.

Raubtiergeruch liegt in der Luft, Vogelgezwitscher ertönt — ansonsten herrscht Stille. Am Eingang des ehemaligen Tiergartenhotels am Schmausenbuck ist ein Sicherheitsmann postiert. Wie berichtet, sollen hier vor allem alleinstehende Frauen und Mütter, dazu auch Familien Schutz finden. Der Wachdienst ist rund um die Uhr im Einsatz, jeweils zwei Männer arbeiten parallel in zwölf-Stunden-Schichten.

Im Eingangsbereich riecht es nach Farbe. Hier, wie auch in den anderen Stockwerken, ist alles in Weiß gehalten — und so springen einem die roten Verbotsschilder sofort ins Auge: Shisha rauchen verboten. Einige Türen weiter befindet sich das Spielzimmer, das der Mögeldorfer Helferkreis und die Sozialbetreuung, die Rummelsberger Diakonie, eingerichtet haben. Ein Fernseher, Stofftiere, Kinderbücher, ein Kicker und eine Sitzecke. Auch gibt es im Erdgeschoss einen Kinderwagenraum. Hier lagern ein Fahrrad mit Kindersitz, zwei Bobbycars und mehrere Kinderwägen, denn einen Aufzug gibt es im mehrstöckigen Gebäude nicht. Alles erscheint unberührt, ist teilweise noch original verpackt.

Aktuell gibt es 20 Asylheime in Nürnberg

"Wir sind derzeit sehr dünn belegt", räumt Robert Busse, zuständiger Sachgebietsleiter von der Regierung von Mittelfranken, ein. Derzeit leben neun alleinstehende Frauen ohne Kinder hier — im Alter von 20 bis 64 Jahren. Sie stammen aus Äthiopien, Eritrea, Irak und Syrien. Unter den Bewohnern befindet sich eine "Fehlbelegung" — die junge Frau ist bereits anerkannt, findet aber keine Wohnung.

"Aufgrund des dunklen Weges, der hierher führt, ist die Unterkunft bei unseren Bewohnern nicht so beliebt", weiß Busse. Dabei gehört es zum Konzept, dass das Flüchtlingsheim so weit abseits liegt. "Wir sind erst vier Monate in Betrieb, das kann sich noch ändern", fährt er fort. "Die Unterkunft wird im Laufe der Jahre noch ihren Sinn erfüllen, wenn die Stadt sukzessive ihre Unterkünfte aufgibt."

Tiergartenhotel: Flüchtlingsunterkunft ist kaum belegt

Anders schaut es etwa in der Erstaufnahmeeinrichtung in den Grundig-Türmen an der Beuthener Straße aus. Hier sind derzeit von den 700 Betten rund 550 belegt; die Restlaufzeit des Mietverhältnis beträgt noch 13 Jahre. Aktuell gibt es in Nürnberg 20 Asylheime, die von der Regierung betrieben werden, neben 170 städtischen.

Räume sind gut ausgestattet

Die Flüchtlingszahlen sinken, "wir kriegen momentan kaum Asylbewerber für Mittelfranken oder für die Stadt Nürnberg zugewiesen", so Busse. Momentan sei die Aufnahme-Quote mehr als erfüllt. "Aber wir rechnen damit, dass diese Unterkunft stärker in den Fokus genommen wird." Und ergänzt auf Nachfrage: "Die Planung ist aus unserer Sicht richtig, da eine Frauenunterkunft nicht mitten in die Stadt gehört." Der Hauptzugang sei bestens einsehbar, "wir können eine Schutzatmosphäre bieten".

Die Räume sind gut ausgestattet. Hier warten Betten, Stühle, ein Tisch, Schränke, ein Kühlschrank und der Blick ins Grüne. Im Erdgeschoss gibt es sogar sechs Zimmer mit integrierter Dusche und WC.

Allein auf einer Etage

16 Stufen höher. Hinter der Tür mit der Nummer 120 im ersten Stock befindet sich das Zimmer einer Eritreerin. Das Bett ist bezogen, auf dem weißen Kühlschrank wartet ein Schokoladenhase, ein Puzzle liegt auf dem Boden. Auf dem Tisch stehen eine Thermoskanne, ein Radiowecker, daneben sind Bleistift, Radiergummi und "Das große Buch der Bilder und Wörter". Die 64-Jährige kocht gerade in der Gemeinschaftsküche — und hat die ganze Etage für sich. Im fünften Stock sind sechs Zimmer belegt und im sechsten Stock zwei. Insgesamt können in dem Gebäude mit einer Nutzfläche von 2100 Quadratmetern bis zu 120 Personen Platz finden. Ursprünglich lag die maximale Belegungskapazität bei 143, doch mit dem geänderten Konzept mit schutzbedürftigen Frauen als Zielgruppe wurde diese Zahl reduziert. Sie wird wohl auch künftig nicht voll ausgeschöpft. "Wir haben den Vertrag unterschrieben, als die Flüchtlingskrise auf dem Höhepunkt war", gibt Busse zu Bedenken.

Das ehemalige Hotel wurde vom Freistaat langfristig angemietet — mit einer Mindestlaufzeit von zehn Jahren. Der Eigentümer hat das Gebäude, das die letzten zehn Jahre leer stand, komplett renovieren lassen. Auch wenn die Regierung von Mittelfranken keine Zahlen nennen möchte, bezeichnet Busse die Mietkosten als "angepasst".

Pluspunkte werden nicht erwähnt

Gibt es einen Spielplatz? "Der fehlt noch", entgegnet Busse. Über das Schulthema sagt er: "Das lässt sich alles regeln" — und verweist auf die 1,9 Kilometer entfernte Thusneldaschule. Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe fehlen. Die schlecht beleuchtete und wenig frequentierte Straße, die zur Unterkunft führt, verfügt über keinen Fußgängerweg.

Und so hält die Stadt an ihrer Kritik fest: "Ich finde das Haus ist für die Unterbringung von Müttern mit Kindern nach wie vor ungeeignet", betont Sozialreferent Reiner Prölß. Lage und Infrastruktur seien problematisch. Die Konzeptänderung mit dieser besonderen Zielgruppe sei im Vorfeld nicht mit der Stadt abgesprochen worden, kritisiert er. Im Gebäude fehle Barrierefreiheit, zudem müsse es bei der Straße — gerade wenn hier jemand mit Kinderwagen unterwegs ist — einen Gehweg geben. Die Pluspunkte der Gemeinschaftsunterkunft bleiben nicht unerwähnt: "Sie ist hell, gut ausgestattet und gepflegt." Ihr großes Manko seien jedoch Lage und Anbindung. Prölß: "Die Infrastruktur ist gerade für junge Eltern und ältere Menschen eine Zumutung."

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