Tragischer Sprungunfall im Nürnberger Westbad vor Gericht

19.6.2018, 15:12 Uhr
Vor vier Jahren prallte ein Turmspringer im Westbad auf ein schwimmendes Kind und verletzte es – das Bad muss dafür nicht haften.

© Foto: Michael Matejka Vor vier Jahren prallte ein Turmspringer im Westbad auf ein schwimmendes Kind und verletzte es – das Bad muss dafür nicht haften.

Jubelnde Kinder an der Wasserrutsche und an den Sprungtürmen, in den Schwimmbecken ein Meer aus hin und her ziehenden Leibern – und der Bademeister als unbeirrbare Autorität am Beckenrand?

Tatsächlich kann und muss ein Bademeister nicht alles Treiben im Bad beaufsichtigen, stellte gerade das Oberlandesgericht Nürnberg fest. Schon gar nicht können Badegäste verlangen, dass jeder Sprung von der Fünf- und der Zehn-Meter-Plattform kontrolliert wird.

Rückblick: Am 20. Juli 2014 schwamm ein damals Zwölfjähriger im Becken unterhalb des Sprungturms mit anderen um die Wette, als ein Mann vom zehn Meter hohen Sprungturm sprang und auf das Kind prallte. Der Bub verlor das Bewusstsein und erlitt schwere Verletzungen an seinem linken Arm, die ihn bis heute, so schildert er, beeinträchtigen. Der Springer verschwand, vergeblich wurde nach ihm gefahndet. Auch ein Aufruf in dieser Zeitung blieb erfolglos. Hätte dieser Unfall verhindert werden können? Muss ständig ein Bademeister auf dem Sprungturm stehen und kontrollieren? Wurde im Nürnberger Westbad gegen Verkehrssicherungspflichten verstoßen?

100.000 Euro gefordert

Wie es an jenem Sonntagabend gegen 18 Uhr zu der Tragödie kommen konnte, war in erster Instanz im Landgericht Nürnberg-Fürth auch nach sechs Verhandlungstagen nicht exakt zu rekonstruieren, zu unterschiedlich schilderten die Zeugen den Unfallhergang. Ein Zeuge hatte nur den Aufprall im Wasser gehört, eine weitere Zeugin beharrte darauf, den geschädigten Jungen selbst als Springer am Sprungturm gesehen zu haben.

Daher konnte sich das Gericht nach der Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, ob der Bub selbst gesprungen war und sich dabei verletzte oder ob seine Wunden tatsächlich von dem Zusammenstoß mit dem Fremden rührten. Die Klage wurde abgewiesen. Jedoch hatte das Erstgericht auch kein ärztliches Gutachten zu dem Verletzungsbild und dessen Ursachen eingeholt.

Die Kläger legten Berufung beim Oberlandesgericht ein und forderten 100.000 Euro Schadenersatz von der Stadt Nürnberg als Betreiberin des Westbades. Zu dem Unfall wäre es nicht gekommen, wenn ein Bademeister jeden Sprung kontrolliert hätte, überdies seien die Fünf-Meter-Plattform und die Zehn-Meter-Plattform gleichzeitig in Betrieb gewesen.

Stadt haftet nicht

Selbst wenn der Badeunfall durch den unbekannten Mann verschuldet wurde, hafte die Stadt Nürnberg nicht, so der OLG-Senat: Im Westbad wurde nicht gegen die Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Denn eine lückenlose Aufsicht jedes einzelnen Badegastes in Schwimmbädern sei weder üblich noch zumutbar und auch nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich.

Am Sprungturm habe eine Aufsichtsperson gestanden und immer nur einen Badegast auf den Turm gelassen. Auch sei im Westbad eine Benutzungsordnung gut sichtbar angebracht, sie weise darauf hin, dass sich Badegäste vor jedem Absprung vergewissern müssen, dass das Sprungbecken frei sei. Eine jeweils gesonderte Freigabe jedes einzelnen Sprunges durch die Beklagte habe nicht erfolgen müssen.

Landgericht Nürnberg-Fürth, Az.: 4O 4445/15. Oberlandesgericht Nürnberg, Az.: 4 U 1455/17.