Try-outs: Die Rams suchen Spieler

28.11.2013, 11:26 Uhr
Touchdown! Der Weg ist das Ziel.

© Hans-Martin Issler Touchdown! Der Weg ist das Ziel.

Ein Kandidat ließ schon vor dem ersten Pfiff aufhorchen - wenn man den Mut hatte, ihn nach seinem Namen zu fragen.

Norris, so wie Chuck Norris? „Ja genau, eigentlich nennt mich jeder meiner Freunde Norris. Aber ich habe noch nie bis unendlich gezählt“, scherzt der 22-jährige Nürnberger Marcel Norris, bevor es für ihn und die anderen rund 50 Teilnehmer des diesjährigen Try-outs ernst wird. Try-outs sind im amerikanischen Profi-Sport gang und gäbe und werden von den Vereinen genutzt, um begabte und weniger begabte Talente zu begutachten und mit den aussichtsreichsten davon den eigenen Kader aufzurüsten.

„Eigentlich arbeite ich als Installateur und nebenbei als Security in Diskotheken oder bei anderen Veranstaltungen in Bamberg. Und dort hat mich ein Spieler der Rams gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mir das hier mal anzuschauen“, sagt Norris, der bisher mit Football nicht wirklich viel zu tun hatte. Die körperlichen Voraussetzungen scheint er auf den ersten Blick schon mal mitzubringen: Breite Schultern, kräftige Oberarme und ein sehr robuster Körperbau unterscheiden den 1,77 Meter großen und 95 Kilogramm schweren Gladiatoren deutlich von einigen weniger muskulösen Teilnehmern. Andere sind ihm hingegen deutlich überlegen, aber das hat einen ganz simplen Hintergrund. „Gut die Hälfte der Jungs heute ist bereits bei den Rams und darum größtenteils in einer sehr guten Verfassung. Die anderen sollen beweisen, dass sie die körperlichen Voraussetzungen mitbringen, in der 2. Football-Bundesliga für uns zu spielen“, umreißt Ober-Widder Alexander Schweiger das Teilnehmerfeld, während dieses in sechs Gruppen aufgeteilt wird.

Schweiger sitzt im Vorraum der Multifunktionshalle und begrüßt jeden Gast und Teilnehmer per Handschlag. Familiensinn und zunehmende Professionalität sollen bei den Erben der Noris Rams weiter Hand in Hand gehen, und dazu trägt an diesem Tag eine Vielzahl freiwilliger Helfer — in Einheitskleidung — bei, ohne die Veranstaltung wie ein Schulfest wirken zu lassen. Jeder weiß, was er zu tun hat. Das fängt beim eigenen Catering an und wird umso deutlicher, sobald man die helle Turnhalle betritt und sich von der neuen Vize-Präsidentin Barbara Kögel herumführen lässt.

Kaderplanung: "Verstärken, nicht vergrößern"

An sechs Stationen müssen die Mutigen beweisen, wie schnell sie rennen können, wie hoch und weit sie springen können, wie oft sie in der Lage sind, 80 beziehungsweise 100 Kilogramm in die Höhe zu stemmen und wie es um ihre koordinativen Fähigkeiten bestellt ist — alles unter den Augen von Trainer Ralf Prosiegel und seinem Beraterteam. „Zu meiner aktiven Zeit hat es solche Try-outs nicht gegeben“, erinnert sich Prosiegel, der ganz genau weiß, wonach er an diesem Nachmittag sucht. „Wir wollen unseren Kader verstärken, nicht vergrößern. Was nützen mir Jungs, die 80 Kilogramm mit links stemmen, die aber nicht geradeaus laufen können? Ich kann pro Partie nur 50 Spieler mitnehmen, sehe hier aber durchaus ein paar fähige Athleten.“

Athlet Norris kann geradeaus laufen, fühlt sich beim Bankdrücken aber sichtlich wohler als beim 40 Yards-Sprint und stemmt die 100 Kilogramm schwere Hantel fünfmal nach oben, bevor ihm beim sechsten Versuch die Arme weich werden. Sein Namensvetter Chuck Norris hätte das freilich öfter geschafft, wobei er nicht die Hantel nach oben, sondern die Erde nach unten gedrückt hätte. Beim Weitsprung aus dem Stand beweist Norris junior dann aber jenes Stehvermögen, das seinen Mitbewerbern reihenweise fehlt und kommt beim Erstversuch auf gut zwei Meter. Dafür erntet er Applaus und Anerkennung von den Kontrahenten und Helfern an Station fünf. Und geduldig wie Chuck Norris, der nie schläft, sondern wartet, wartet der 22-Jährige, bis auch die anderen Mitglieder seiner sechsköpfigen Riege diese Übung hinter sich gebracht haben, bevor es weitergeht zur nächsten Station des Zirkeltrainings für Fortgeschrittene.

Simon Hild, Wide Receiver im Team der Rams, ist zu diesem Zeitpunkt schon fertig: „Für uns Spieler ist so ein Try-out vor allem eine gute Standortbestimmung. Den Winter über werden wir sehr hart trainieren, bis es im Februar dann ins Freie geht und ich bin mir sicher, dass wir den einen oder anderen Kandidaten von heute dort wiedersehen werden.“ Wie hoch letztlich die Ausbeute einer solchen Veranstaltung sein wird, könne man laut Präsident Schweiger vorher nie wirklich sagen. Die letzten Jahre hätten aber gezeigt, dass gut 25Prozent in die engere Auswahl kämen. Vom aktuellen Jahrgang ist er positiv überrascht: „Ich glaube, dass wir heute wohl den athletischsten Try-out haben, den es bei den Rams je gab. Und man sieht schon jetzt, dass einige Jungs hier gut abschneiden werden.“

Da aber ein gutes Abschneiden beim Athletik-Test alleine nicht ausreicht, um die Football-Tauglichkeit festzustellen, steht im Anschluss noch eine Einheit mit Fang- und Laufübungen für die Rams-Anwärter auf dem Trainingsplan, nachdem sich die Stammkräfte im Anschluss an das obligatorische „Huddle“ (eine Art Mannschaftskreis) schon mal verabschiedet haben. Ein paar bleiben freilich, damit die Pässe, die es zu fangen gilt, auch über die erforderliche Präzision verfügen — zumindest theoretisch.

In der Praxis sind einige Zuspiele von Neuzugang James Slack deutlich zu optimistisch geworfen und schrammen nur knapp an einem der seitlich angebrachten Basketballkörbe der Mehrfachsporthalle vorbei. In Kombination mit der Unerfahrenheit einiger Empfänger kommt es so nicht zu übermäßig vielen Touchdown-Läufen. Auch Sportsfreund Norris hat Probleme beim Erlaufen der Pässe, hechtet sich aber ohne Rücksicht auf Verluste nach dem ovalen Spielgerät, was auch Ralf Prosiegel zur Kenntnis nimmt: „Was hier entscheidend ist, sind der Einsatz und der Wille. Das wollen wir sehen, von jedem, der im kommenden Jahr das Trikot der Rams tragen will.“

Das werden in jedem Fall auch Jamal Jonas und Malik Curry wieder tun, die im April nach Deutschland zurückkehren und bei der Gelegenheit gleich ihren Landsmann und neuen Quarterback der Rams, A. J. Springer, mitbringen. Mit Curry und Jonas erreichten die Rams in der abgelaufenen Spielzeit den dritten Platz in der 2. Bundesliga Süd, der für Ralf Prosiegel zwar erfreulich war, aber letztlich nur einen Zwischenstopp darstellt. „Wir wollen im kommenden Jahr noch besser abschneiden als 2013“, sagt Prosiegel und beendet nach zwei Stunden mit einem Pfiff aus der guten alten Trillerpfeife den Try-out.

Fast so stark wie Chuck Norris

Ob es Marcel Norris ins Team geschafft hat, verrät der Trainer freilich nicht. „Die Spieler bekommen eine Mail von uns und erfahren, wie es für sie weitergeht“, klärt er auf. Norris hat „ein gutes Gefühl“ und freut sich, weil er es auf jeden Fall schon mal in die Zeitung geschafft hat.
 

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