Unterwegs . . . Runter mit dem Blutdruck

15.12.2017, 20:11 Uhr
Unterwegs . . . Runter mit dem Blutdruck

© Foto: Pilvax Studio

Alle träumen im Advent von der ruhigen Zeit und leben dann doch den täglichen Weihnachtsstress. Der Klavierabend von Alexander Schimpf beim Privatmusikverein besaß am Donnerstagabend im Kleinen Saal der Meistersingerhalle alle Qualitäten, sich als heilsames Antidot gegen Kaufrausch und Konsumwut zu beweisen.

Die vier Balladen op. 10 von Johannes Brahms geben ausdrücklich die Tempobezeichnung "Andante" vor. Das gibt dem Meisterschüler von Bernd Glemser, dem inzwischen als Professor in Hannover wirkenden Alexander Schimpf, viel Raum, den Brahms’schen Tonfall leuchten zu lassen.

Blutig geht es da allenfalls in der ersten Ballade zu, die einen Bezug zu der Herderschen Erzählung "Edward" schlägt. Abstrakter sind die folgenden Sujets, in denen in langen Bögen introvertiertes Gefühl und Kantabilität gesucht wird, ohne klebrig wie Honigkuchen zu wirken.

Wessen Blutdruck dann immer noch zu hoch war, dem verhalfen die "Drei Intermezzi, op. 117" von Brahms zu weiterer Senkung. Diese Stücke, am Lebensabend von Brahms entstanden, sind von großer Ruhe gezeichnet, die Schimpf mit klarem Anschlag, unaffektiert und mit einer Innigkeit präsentierte, die nicht frömmelte und doch den letzten Schmerz aussparte: Musikalischer Trost, so geisterhaft und wirkungsvoll, wie ihn nur ein Wiegenlied schenken kann.

Nach so viel kunstfertiger Bedächtigkeit tat Franz Schuberts große B-Dur-Sonate richtig gut. Gleich zu Anfang erscheint im Kopfsatz jener berüchtigte Triller, über dessen Funktion sich die Gelehrten streiten: Ist es ein Paukenwirbel? Oder öffnet sich eine dritte Dimension, in die wir hineinhorchen, wie Alfred Brendel einst spekulierte.

Episch breit hat Schubert diesen Kopfsatz angelegt, überrascht die Zuhörer mit immer neuen Durchführungen und Weiterentwicklungen des Materials. Ist dieses Werk durchdrungen von der Todesahnung, wie manche meinen? Geradezu leichtfüßig und burlesk schließt die Komposition in einem Rondo-Finale und gab Alexander Schimpf Freiräume, seine sichere Virtuosität auch bei hohen Tempi unter Beweis zu stellen. Großer Applaus.

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