VAG zu Kind-Sturz: "Wir haben keinen Fehler im System"

4.8.2017, 05:57 Uhr
Der Spalt zwischen U-Bahn-Wagen und Bahnsteig ist in Nürnberg zwischen acht und 21 Zentimetern breit. Die automatische U-Bahn merkt es nicht, wenn dort ein Gegenstand hineinfällt.

© Foto: Marie Zahout Der Spalt zwischen U-Bahn-Wagen und Bahnsteig ist in Nürnberg zwischen acht und 21 Zentimetern breit. Die automatische U-Bahn merkt es nicht, wenn dort ein Gegenstand hineinfällt.

Dem kleinen Jungen, einem Vierjährigen, geht es inzwischen wieder gut. "Er hatte ein paar Prellungen und über Bauchschmerzen geklagt. Im Krankenhaus konnten die Ärzte aber keine inneren Verletzungen feststellen", sagt VAG-Sprecherin Elisabeth Seitzinger. Der Bub sei mit seiner Mutter inzwischen sogar schon wieder U-Bahn gefahren.

Am 19. Juli, als der Unfall passiert ist, war der Schock aber groß gewesen. Die Mutter wollte an diesem Tag, mit ihrem Sohn an der Hand, am Hauptbahnhof in die U2 in Richtung Flughafen steigen. Sie warteten am letzten Wagen am Bahnsteig, bis die anderen Fahrgäste ausgestiegen waren. Der kleine Junge strauchelte jedoch plötzlich, der Mutter entglitt die schweißfeuchte Hand und der Vierjährige fiel in den Spalt zwischen U-Bahn-Wagen und Kante.

Hinterher habe die Mutter gesagt, dass es ihre Schuld gewesen sei, sagt Seitzinger. Sie habe zu nah am Bahnsteig gestanden und das Kind zwischen Wagen und sich selbst an der Hand gehalten, statt an der anderen, der Bahn abgewandten Seite.

Dem Jungen ist außer den Prellungen weiter nichts passiert, weil ein Fahrgast in dem Zug die Notbremse gezogen hat. Ein anderer legte sich auf den Bahnsteig und zog das Kind aus dem Gleisbett.

Die fahrerlose U-Bahn selbst kann solche Notfälle nicht erkennen, sagt Sprecherin Seitzinger. Das Bahnsteigsicherungssystem bemerke nur, dass ein Gegenstand auf die Gleise fällt, wenn gerade keine Bahn am Bahnsteig steht. Ein heranfahrender Zug werde dann sofort gestoppt.

Ist die U-Bahn allerdings schon eingefahren, sind die Senderleisten unterbrochen, und das System registriert es nicht, wenn etwas in den Spalt zwischen U-Bahn und Kante rutscht.

Dieser ist in Nürnberg im Regelfall zwischen acht und 20 Zentimetern breit, an der betreffenden U2 am Hauptbahnhof sind es 21 Zentimeter, sagt Andreas May, bei der VAG Geschäftsbereichsleiter Steuerung und Betrieb. Laut der Baubetriebsverordnung für Straßenbahnen sind maximal 25 Zentimeter erlaubt.

Der 21 Zentimeter breite Spalt entsteht, weil der Bahnsteig aus baulichen Gründen leicht gekrümmt ist, erklärt May. Da die gerade Bahn einen bestimmten Abstand zur Kante einhalten muss, sei der Spalt mal mehr, mal weniger breit. Der kleine Junge stand mit seiner Mutter gerade dort, wo er am größten ist – etwa 21 Zentimeter. Zudem sei der Vierjährige auch ein sehr schmales Kind, fügt Seitzinger hinzu. In diesem Fall kam also wirklich alles zusammen.

Wegen dieser Krümmung kann die VAG auch keine Bahnsteigtüren einsetzen. Das sind Trennwände zwischen Bahnsteig und Zug, deren Türen sich nur öffnen, wenn eine Bahn hält. Der Abstand zwischen Wand und Bahn wäre in Nürnberg so groß, dass dazwischen Fahrgäste eingeklemmt werden könnten. Außerdem ist die fahrerlose U-Bahn anfangs im Mischbetrieb eingesetzt worden, sagt May. Und die unterschiedlichen Zugtypen haben auch an unterschiedlichen Stellen ihre Türen, was einen einheitlichen Halt, wie es die Bahnsteigtüren verlangen, unmöglich macht.

In der U-Bahn mit Fahrer, die auch keine automatische Spaltüberbrückung wie die automatische hat, passiere es alle vier bis fünf Jahre, dass ein Fahrgast in den Spalt fällt, sagt VAG-Sprecherin Seitzinger. Aber auch dabei sei in Nürnberg bisher noch nichts Schlimmeres passiert, weil die Fahrer dies vor dem Losfahren immer bemerkt hätten.

Der Unfall mit dem Jungen sei der erste, seit die fahrerlose U-Bahn 2008 in Betrieb genommen wurde. "Die automatische U-Bahn ist sehr sicher", betont Elisabeth Seitzinger. "Wir haben keinen Fehler im System, sondern Gegebenheiten, mit denen wir umgehen müssen", sagt Andreas May. Wenn dennoch etwas passiere, sollten die Fahrgäste nicht zögern, die Notbremse im Zug zu ziehen oder den Notrufknopf am Bahnsteig zu drücken, um die Leitstelle zu alarmieren. Wenn man sich in die Türen stellt, fährt die U-Bahn ebenfalls nicht los. Und auch Eltern können mithelfen, indem sie ihre Kinder an die Hand nehmen und auf die der U-Bahn abgewandten Seite stellen.

Verwandte Themen


VGN

10 Kommentare