Vor einem Jahr fuhr ein Raser Marie tot: eine Chronik

11.6.2015, 05:55 Uhr
Die Todesfahrt eines 27-Jährigen auf der Großen Straße, bei der eine 18-Jährige ums Leben kam, jährt sich am 11. Juni 2015.

© ToMa Fotografie Die Todesfahrt eines 27-Jährigen auf der Großen Straße, bei der eine 18-Jährige ums Leben kam, jährt sich am 11. Juni 2015.

Ein Jahr liegt das schreckliche Unglück zurück. Am 11. Juni 2014 wurde die 18 Jahre junge Marie auf der Großen Straße von einem Raser erfasst und getötet. Die aus Dortmund stammende Abiturientin hatte keine Chance, ihre Schwester musste den Unfall aus nächster Nähe miterleben.

12. Juni 2014: Bei dem 27-Jährigen wurde nach dem Unfall ein Alkoholwert von 1,49 Promille festgestellt. Eine spätere Blutanalyse ergibt einen Wert von 1,85 Promille. Die Kennzeichen hatte er von seinem anderen Auto an den Unfallwagen geschraubt. Denn das Fahrzeug war nicht zugelassen und nicht versichert. Als Hobby hatte er in einer Tiefgarage an seinem Auto herumgeschraubt. Der Mann wird leicht verletzt ins Krankenhaus und einen Tag später in Untersuchungshaft gebracht.

Auf Facebook wird als Reaktion auf den tödlichen Unfall die Gruppe Start einer Bürgerinitiative für Dauerblitzer an der Großen Straße gegründet. Am 1. Todestag zählt die Gruppe fast 9000 Mitglieder. Sie fordern Dauerblitzer an der Großen Straße und den Bau von Barrieren, "um Fahrer ins 'Zick-Zack'-Fahren zu zwingen".

13. Juni 2014: Anhand erster Zeugenaussagen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der 27-Jährige seinen BMW auf mindestens Tempo 150 beschleunigt hat. Auf der früheren NS-Aufmarschstraße ist zu diesem Zeitpunkt maximal Tempo 50 erlaubt.

16. Juni 2014: Die Stadt Nürnberg will die Große Straße dauerhaft zu einer Tempo-30-Zone machen. Zudem prüft sie die Möglichkeit, potenzielle Raser mit Bodenschwellen auszubremsen.

20. Juni 2014: Die Stadt macht Ernst: Auf der gesamten Strecke gilt ab diesem Tag Tempo 30. Dazu wird noch der Teil zwischen Alfred-Hensel-Weg und Volksfestplatz komplett für den Durchgangsverkehr gesperrt. Des Weiteren werden auch die Markierungen an den Fußgängerüberwegen erneuert und verbessert.

21. Juni 2014: Für die getötete Inlineskaterin wird in der Nähe der Unfallstelle eine Mahnwache abgehalten - organisiert von den Machern der Facebookgruppe Start der Bürgerinitiative für Dauerblitzer an der Großen Straße.

23. Juni 2014: Die Polizei führt verstärkt Geschwindigkeitsmessungen an der Großen Straße durch. An einem Sonntag zwischen 14.30 Uhr und 16.30 Uhr stellten die Beamten acht Temposünder fest, die mit Geschwindigkeiten zwischen 56 und 69 Stundenkilometern unterwegs waren. Erlaubt sind seit 20. Juni jedoch nur 30 km/h.

4. Juli 2014: Ein Gedenkstein soll schon bald an der Unfallstelle an die getötete Marie erinnern. Die Idee zu dem Gedenkstein entstand, weil das erste Holzkreuz an der Unfallstelle gestohlen wurde, ein zweites wurde zerbrochen, berichtet Initiator Patrick Preißler. "Ein eingelassener Stein ist nicht so einfach zu zerstören."

7. August 2014: Der Todesfahrer war offenbar nicht nur betrunken, sondern stand auch unter Drogeneinfluss. "Eine Blutanalyse ergab, dass der Mann THC im Blut hatte", sagt Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. Die Menge befand sich allerdings nur knapp oberhalb der Nachweisgrenze. Erst jetzt wird bekannt, dass die Polizei in dem Fahrzeug des Unfallfahrers nach dem Unfall auch noch Drogen und eine Waffe entdeckt hatte.

9. September 2014: Knapp drei Monate nach dem schrecklichen Unfall auf der Großen Straße steht fest: Der BMW-Fahrer (27), der Mitte Juni eine 18-jährige Skaterin erfasst und getötet hat, war mit mindestens 106 km/h unterwegs. Das geht aus dem fertiggestellten Unfallgutachten hervor.

6. Oktober 2014: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt unter anderem wegen fahrlässiger Tötung Anklage gegen den Todesraser. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann zudem vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs, Urkundenfälschung und Verstöße gegen das Pflichtversicherungs- und Waffengesetz vor.

12. Dezember 2014: Der 27-Jährige wird vor dem Amtsgericht Nürnberg zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Zudem wird ihm für viereinhalb Jahre der Führerschein entzogen.

9. März 2015: Der Anwalt des Verurteilten legt Berufung gegen das Urteil ein und hofft in der zweiten Instanz, vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth, auf Milde. Ebenso legt die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil ein. Damit könnte das Strafmaß in der Verhandlung vor der Berufungskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth auch höher ausfallen. Im Berufungsverfahren steht auch die Führerscheinsperre zur Verhandlung.

14. April 2015: Der Termin für die Berufungsverhandlung wird auf den 29. Juni 2015 festgelegt.

Juni 2015: Die Große Straße wird seit dem Unfall verstärkt von der Polizei kontrolliert. Insgesamt 53 Mal seit Juni 2014 haben die Beamten dort mit einem Handlaser die Geschwindigkeit der Fahrer gemessen. Ergebnis: 286 Personen waren mit über 50 Kilometern pro Stunde unterwegs, der schlimmste Raser brachte es gar auf 94. Dafür musste der Fahrer 480 Euro Bußgeld zahlen und hat einen Punkt in Flensburg bekommen.

Weitere Maßnahmen gegen Raser auf der Großen Straße wie Bodenschwellen oder fest installierte Dauerblitzer  sind aus Sicht der Stadtverwaltung vom Tisch. "Die Einführung der Tempo-30-Zone und die Sperrung waren die Maßnahmen, die nötig waren", sagt Verkehrsplanungschef Frank Jülich. Insbesondere die Teilsperrung der Straße sieht Jülich als "großen Gewinn".

11. Juni 2015: Für die Familie von Marie ist der erste Todestag besonders schwer. Sehr viel Kraft gab ihr "die riesengroße Anteilnahme“ aus Nürnberg, sagte die Mutter gegenüber der Nürnberger Zeitung. Mehr als 400 Briefe erreichten sie, viele von Menschen geschrieben, die sie nicht kennt. Und dann die Gedenkstätte für Marie an der Großen Straße. Wenn es nach der Mutter geht, soll der Jahrestag "kein Tag der Trauer" werden.

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