"Waschsalon"-Razzia: Anwalt zweifelt an Rechtmäßigkeit

7.2.2017, 16:14 Uhr

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Marihuana, Haschisch, Ecstasy, Crystal, Amphetamin - bis auf Heroin entdeckte die Polizei bei der Razzia in der Diskothek "Waschsalon" alle gängigen Drogen, die der Markt so zu bieten hat. Das erklärt Christian Daßler, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Mittelfranken. Wie groß die gefundene Menge bei der Kontrolle während der Afterhour am Samstagmorgen war, bleibt weiter unklar. Dies gebe die Polizei in solchen Fällen grundsätzlich nicht bekannt, so Daßler.

Nachdem die Angaben in einer Pressemitteilung am Sonntag noch vage waren, nennt der Polizeisprecher nun Zahlen: 16 Personen seien wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln angezeigt worden, eine Person wegen des Handels mit selbigen. 33 Mal seien Betäubungsmittel aufgefunden worden, die niemandem zugeordnet werden konnten. Zwei Gäste, die in dem Techno-Club in der Klingenhofstraße 58 feierten, waren laut Daßler mit Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben. Gegen eine Person werde wegen Fundunterschlagung ermittelt. Insgesamt seien in und vor der Diskothek 205 Identitäten festgestellt worden, sagt Daßler.

Techno-Szene in Aufruhr

Die Drogenrazzia sorgt für Aufruhr in der Techno-Szene. Immer mehr Betroffene melden sich zu Wort und schildern, wie sie die Stunden in dem Club erlebt haben. Einer davon ist Stephan Kaltofen, der sich mit einem (auch auf Facebook einsehbaren) Leserbrief an die Öffentlichkeit wendet. Die Razzia sei wegen eines konkreten Verdachts auf Drogenhandel gerechtfertigt gewesen, was "okay" sei. "Aber was sich dort abgespielt hat, hätte ich in meinem Deutschland nicht für möglich gehalten." Kaltofen zeigt sich schockiert über die "Behandlung, die den jungen Mädchen widerfahren" sei.

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Wie schon der Betreiber des "Waschsalon", Martin Weinmann, berichtet auch Kaltofen, dass sich die anwesenden Frauen in einem Hinterzimmer vor zwei Beamtinnen entkleiden mussten. "Sie mussten sich komplett, und ja wirklich komplett ausziehen, in die Hocke gehen und sich aufs Widerlichste begutachten lassen", schreibt Kaltofen.

Laut Betreiber Weinmann hatten sich auch die Barfrauen vor zwei Polizistinnen nackt machen müssen. Polizeisprecher Daßler bestätigt, dass es in einem abgetrennten Raum zu Durchsuchungen gekommen sei. "Dabei wurde auf die Geschlechtergleichheit und die Wahrung der Intimsphäre geachtet", betont der Sprecher. Frauen wurden nur von Frauen und Männer nur von Männern durchsucht. Das Zimmer sei außerdem wohltemperiert gewesen, so Daßler.

Kaltofens Leserbrief erfährt auf Facebook großen Zuspruch. Bis Dienstag (Stand: 15.08 Uhr) wurde der Post über 225 Mal geteilt, über 550 Nutzer reagierten auf den Beitrag. Darunter fanden sich am Dienstagnachmittag über 130 Kommentare, in denen User ihre Anteilnahme ausdrückten oder ihrem Ärger Luft machten. Nach eigenen Angaben bereitet Kaltofen eine Klage gegen das Vorgehen der Polizei vor.

Bereits am Sonntag hatte der Betreiber des Techno-Clubs die Frage nach der Verhältnismäßigkeit aufgeworfen. Weinmann zufolge war die Polizei bei der Razzia mit 18 Mannschaftswagen vor dem "Waschsalon" vorgefahren. Etwa 70 Beamte und vier Hunde hätten die Diskothek danach durchsucht. Rund fünf Stunden, von 7 bis 12 Uhr, dauerte die großangelegte Kontrollaktion laut Polizei. Daßler rechtfertigt das Großaufgebot an Polizeikräften damit, dass die Beamten bei solchen Aktionen "die Situation sofort einfrieren müssen, damit sich nicht noch mehr Gäste ihrer Drogen entledigen können". In den vergangen Monaten seien "mehrfach Personen mit Bezug zu dieser Diskothek" durch Drogendelikte aufgefallen, erklärt der Sprecher. Deshalb die Razzia.

Anwalt zweifelt an Rechtmäßigkeit

Doch ging dabei wirklich alles mit rechten Dingen zu? Auch der Nürnberger Rechtsanwalt Tilman Schürer beurteilt die Polizeiaktion, nach allem was bekannt ist, kritisch. "Prinzipiell dürfen Polizisten bei einem konkreten Verdacht auf Straftaten eine Disko durchsuchen - auch ohne Durchsuchungsbeschluss", sagt Schürer. Die Verhältnismäßigkeit müsse dabei aber immer gewahrt bleiben. Verhältnismäßigkeit heiße, dass das mindeste Mittel, das Erfolg verspricht, angewandt werden müsse. "Wenn an der Razzia wirklich 70 Beamte beteiligt waren, halte ich den Einsatz an sich juristisch gesehen für fragwürdig", erklärt Schürer. Immerhin sei eine Drogenrazzia schwer geschäftsschädigend für Gastronomen.

Noch deutlicher wird Schürer mit Blick auf die Durchsuchung der Barfrauen, von der der Betreiber berichtete. Da die Polizei bei Razzien die betreffenden Räumlichkeiten üblicherweise zu einem "gefährlichen Ort" erkläre, dürfe sie zwar die Identitäten aller Anwesenden feststellen. Durchsuchungen von Personen seien jedoch nur erlaubt, wenn ein konkreter Verdacht gegen diese bestehe. "Die Tatsache alleine, dass jemand an einer Bar arbeitet, kann noch keinen konkreten Verdacht begründen. Bloße Vermutungen der Polizei gelten nicht", betont der Rechtsanwalt.

Daßler erklärt die Position der Polizei so: "Es waren alle von den Maßnahmen betroffen, da im gesamten Bereich der Diskothek, unter anderem auch im Barbereich, Betäubungsmittel gefunden wurden." Er verweist auf Paragraf 21 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, der an einem "gefährlichen Ort", in diesem Fall in der Disko oder in deren unmittelbarer Nähe, auch die Durchsuchung von Personen erlaubt, wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen."

Schürer zweifelt dennoch an der Rechtmäßigkeit. Er zitiert aus einem Kommentarbuch zu Paragraf 21 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, das auch Polizisten vorliege: "Eine sogenannte erhöhte abstrakte Gefahr verlangt der (Bayerische) Gerichtshof dabei für die Durchsuchung von Personen, anders als für die Durchsuchung etwaiger von ihnen mitgeführter Sachen."

Die Formulierung "erhöhte abstrakte Gefahr" bedeute letztlich nichts anderes als einen konkreten Verdacht, der gegen eine bestimmte Person bestehen müsse, erklärt Schürer. Dass überall im Club verstreut Drogen herumlagen, rechtfertigt deshalb nach der Einschätzung des Juristen nicht die Durchsuchung aller Personen. Das sei auch die Meinung von Kollegen, mit denen er über das Thema gesprochen habe. Welche Seite Recht hat, muss dann - sofern es zum Prozess kommt - ohnehin ein Richter entscheiden. 

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