Weiße Wände im Rathaussaal sorgen für Verdruss

19.5.2014, 08:02 Uhr
Weiße Wände im Rathaussaal sorgen für Verdruss

© Berny Meyer

„Die Zahl“, befürchtet Altstadtfreunde-Chef Karl-Heinz Enderle, „könnte uns das Genick brechen.“ Bis zu neun Millionen Euro werde die von dem Verein forcierte Ausmalung des Rathaussaales kosten, ergab eine Berechnung der Stadtverwaltung. Eine große Summe, die viele Unentschlossene womöglich dazu verleitet, am kommenden Sonntag beim Bürgerentscheid mit „Nein“ zu votieren.

Enderle und Harald Pollmann bemühten sich bei ihren Führungen durch den Rathaussaal am Samstagvormittag denn auch, den Besuchern zu erklären, dass sie diese Kalkulation für wenig plausibel halten. „Man hat die Kostenschätzung aus den 1980er Jahren (damals wurde ebenfalls intensiv über die Ausmalung debattiert, Anm. d. Red.) herangezogen und mal vier genommen“, sagte Altstadtfreunde-Vorstandsmitglied Pollmann. „Aber wenn sich die Handwerkerlöhne in den vergangenen Jahren vervierfacht hätten, hätte ich das gemerkt“, erklärte der Steinmetz.

Pollmann und Enderle halten einen Betrag zwischen drei und fünf Millionen Euro für realistisch. Dies müsse sich die Stadt leisten können, findet Pollmann, zumal der Saal dann vergleichbar mit dem Goldenen Saal in Augsburg zur touristischen Attraktion würde – die Stadt könnte einen Obolus für Führungen verlangen und so die Investitionen refinanzieren. Außerdem, so Enderle, „würde ein Großteil doch aus Spendengeldern kommen“. Pollmann machte in seiner Führung deutlich, dass er die Schätzung für ein taktisches Manöver von OB Ulrich Maly und Kulturrefrentin Julia Lehner hält, um die Ausmalungs-Befürworter auszubremsen.

Kulturreferat ist für moderne Technik

Das Kulturreferat will den Saal zwar ebenfalls attraktiver machen, die Wände aber zum Verdruss der Altstadtfreunde weiß lassen – stattdessen soll über elektronische Medien die Geschichte des Saals erzählt und an die Bemalung erinnert werden. „Da kann man dann im Computer sehen, wie schön der Saal wäre, wenn er ausgemalt wäre“, spottete Pollmann.

Während die Altstadtfreunde oben durch den Saal führten, hatte das Kulturreferat unten in der Ehrenhalle des Rathauses Info-Stände aufgebaut. Die Bürger, so Annekatrin Fries vom Kulturreferat, interessierten sich gar nicht so sehr für die Summe, die die Wandbemalung kosten würde, sondern eher wie nahe die Rekonstruktion dem Original käme. Und da hielt Fries eine ernüchternde Botschaft bereit, die Quellenlage sei zu dürftig. Pollmann dagegen erklärte im Saal den Besuchern, dass man ja nicht die erste Bemalung von 1521, die unter der Regie Albrecht Dürers stattfand, zum Ausgangspunkt nehme, sondern den Zustand ab 1904/05 bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg – und der sei durch Ölbilder, Dias und Fotografien bestens dokumentiert.

Im übrigen messe die Stadt mit zweierlei Maß, sagte Pollmann. Das Peter-Vischer-Gitter, das den Saal zweiteilt, sei auch rekonstruiert worden; als Vorlage habe lediglich eine im Kerzenschein angefertigte Bleistiftzeichnung gedient, also ein viel unseriöseres Quellenmaterial, als jetzt für die Bemalung vorliege.

Enderle zufolge waren am Samstag zwischen 11 und 15 Uhr 400 bis 500 Interessierte da, die sich die Geschichte des Saals erklären ließen. „Wir sind mit der Resonanz sehr zufrieden.“

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