Wenn der Haussegen schief hängt

14.2.2017, 11:00 Uhr
Wenn der Haussegen schief hängt

© Familienzentrum Stein

Kinder können Eltern das Leben schon mal zur Hölle machen, oder?

Christine Bleisteiner: Natürlich.

Was kann ich für ein harmonisches Familienleben tun?

Bleisteiner: Hilfe annehmen. Man sollte schauen, wer in der Familie und im Freundeskreis für einen da sein kann. Oder wenn das nicht geht, den Babysitter seines Vertrauens engagieren. Dann gibt es noch Leihomas oder Familienpaten, auf ehrenamtlicher Basis wird da viel geboten.

Viele Eltern schämen sich doch, so etwas in Anspruch zu nehmen . . .

Bleisteiner: Am ehesten ist der Babysitter akzeptiert, der nach Hause kommt, damit die Eltern abends weggehen können. Das Angebot von Leihomas oder Familienpaten wird noch selten genutzt. Das sind in der Regel Frauen im Omaalter, die selbst keine Enkelkinder haben, Kindern und Familien aber etwas Gutes tun möchten. Sie können eine Unterstützung im Haushalt sein. Eine Mutter muss nicht alles alleine leisten.

Hat das auch etwas mit gesellschaftlichem Druck zu tun?

Bleisteiner: Ich weiß nicht, ob es der gesellschaftliche Druck ist, oder der Druck, den sich Mütter selbst machen. Sie denken oft: Ich muss es schaffen, für mein Kind da zu sein. Außerdem haben sie Vorbehalte: etwa ob man jemanden Fremdes das Kind anvertrauen könne. Bevor man diesen Schritt geht, ist der Leidensdruck zuvor meistens groß.

Wie viel bekommt das Kind von diesem Stress mit?

Bleisteiner: Alles. Ein Baby hat einen sensiblen Sensor für die Atmosphäre. Es spürt deutlich, ob die Person, die es auf dem Arm hält, entspannt ist oder vor Wut kocht. Es ist ein Kreislauf: Ist die Mutter erschöpft, kann sie ihrem Kind nicht der starke Fels in der Brandung sein. Deshalb wird das Kind unruhig und weint umso mehr.

Sind kinderfreie Zonen für ein paar Stunden in der Woche dann wirklich die Lösung?

Bleisteiner: Auf jeden Fall. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort: Um ein Kind zu zeugen, braucht es einen Mann und eine Frau. Um es zu gebären eine Frau. Und um es zu erziehen ein ganzes Dorf. Darin steckt viel Weisheit. Man darf sich als Mutter nicht selbst überfordern und meinen, die einzige Bezugsperson für das Kind zu sein. Man darf das Kind auch mal abgeben.

Sind auch die Geschlechter-Rollenbilder das Problem?

Bleisteiner: Nein, es ist egal, ob Mama oder Papa zu Hause ist. Es ist dem geschuldet, dass die Familienzeit an sich nicht mehr so einen Stellenwert wie früher hat. Mit der Berufstätigkeit beider Eltern bleibt weniger Zeit für die Familie. Deshalb muss in der wenigen Zeit das Familienleben komprimiert ablaufen. Viele Mütter gehen nach einem Jahr nach der Geburt des Kindes wieder arbeiten. In diesem einen Jahr tragen sie es auf Händen. Weil sie wissen, dass sie es nach einem Jahr in der Krippe abgeben werden. Und wenn aus Mann und Frau Mama und Papa werden, ist das nicht einfach. Viele vergessen darüber ihre Beziehung. Sie sollten sich regelmäßig eine gemeinsame Auszeit gönnen.

Sie sind hauptberuflich Hebamme. Was ist Ihre Erfahrung, wann geht es wieder bergauf?

Bleisteiner: Ich nehme immer wieder erschreckend zur Kenntnis, dass es zum Ende des ersten Lebensjahres des ersten Kindes besonders viele Trennungen gibt. Manchen Müttern tut es gut, wenn sie wieder zur Arbeit gehen. Das empfinden sie als Erholung vom anstrengenden Familienalltag. Bergauf kann es bei Eheproblemen auch gehen, wenn man realisiert, dass es in Ordnung ist, sich Hilfe zu holen – und dass man sich keinen Zacken aus der Krone bricht. Natürlich habe ich auch mit Paaren zu tun, bei denen es rundläuft. Das ist etwa ein Drittel aller Eltern.

Was ist deren Geheimnis?

Bleisteiner: Sie haben die richtige Mischung gefunden: wann sie ihrem Kind Beachtung schenken und wann sie es einfach machen lassen. Und diese Mütter trauen dem Vater zu, abends mal anderthalb Stunden auf das Kind aufzupassen – während sie etwa zum Sport geht und sich eine Auszeit nimmt.

Hilfsangebote des Familienzentrums Stein:
www.familienzentrum-stein.de oder telefonisch: 0911 49015432.

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