Wie finanzieren wir bezahlbares Wohnen?

10.9.2018, 18:50 Uhr
Verena Osgyan (47) sitzt seit 2013 für die Grünen im Landtag.

© Roland Fengler Verena Osgyan (47) sitzt seit 2013 für die Grünen im Landtag.

Frau Osgyan, warum sind Sie Politikerin geworden?

Verena Osgyan: Der Gedanke, Politikerin zu werden, wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Aber ich war schon immer ein politisch interessierter Mensch. Irgendwann war der Impuls übermächtig, zu sagen, ich kann doch nicht einfach danebenstehen und vom Spielfeldrand zuschauen, wenn es so viele Dinge gibt, die ich gerne ändern möchte. Als die Regierung Merkel im Jahr 2010 angedroht hat, vom Atomausstieg auszusteigen, wollte ich richtig in die Politik einsteigen. Ich dachte, es kann doch nicht sein, dass dieser gesellschaftliche Konsens einfach aufgelöst werden soll.

Wo brennt es in Ihrem Stimmkreis am meisten?

Osgyan: Der Stimmkreis Nürnberg-West ist wahnsinnig vielseitig. Er hat vorstädtisch geprägte Teile, er hat das alte Industriequartier rund um die Muggenhofer Straße mit Quelle- und AEG-Gelände. Da haben wir große strukturpolitische Herausforderungen. Wir haben gleichzeitig Quartiere, die von großen sozialen Gegensätzen geprägt sind. Da kommt es darauf an, zu sagen: Wie können wir gutes, bezahlbares Wohnen finanzieren? Wie können wir in gute Bildung und Kultur investieren? Es geht darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken in den Stadtteilen, in denen Menschen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern leben. Wobei ein gelingendes Miteinander nicht davon abhängt, wie lange jemand in Nürnberg lebt, sondern ob sich die Menschen in ihrem Viertel einbringen.

Was würden Sie ändern, wenn Sie bayerische Ministerpräsidentin wären?

Osgyan: Ich würde den Haushalt so aufstellen, dass wir zukunftsfähig aufgestellt sind. Ich würde den Sanierungsstau angehen, den wir überall haben – von den Hochschulen bis zu den Brücken, anstatt von einem Bayerischen Raumfahrtprogramm zu fabulieren. Ich würde die Kinderbetreuungsplätze ausbauen und Kinderbetreuung auch in Rand- und Ferienzeiten möglich machen - vor allem auch für Alleinerziehende ist das wichtig. Und ich würde vor allem schauen, dass wir mit Investitionen den Klimawandel auf lokaler und regionaler Ebene angehen. Denn dieser Sommer war ein Warnschuss. Die Digitalisierung ausbauen und mehr tun für das Thema Gleichberechtigung. Wir haben in Bayern so gute Voraussetzungen, die Steuereinnahmen sprudeln, die Verwaltung funktioniert. Es gibt keine Ausreden, die Zukunftsaufgaben anzugehen. Deshalb haben wir unseren Wahlkampf unter das Motto "Mut geben statt Angst machen" gestellt.

Wie sieht Ihr Rezept gegen den Wahlkampfstress aus?

Osgyan: Es gibt ja immer positiven und negativen Stress, und Wahlkampf ist meistens positiver Stress. Es gibt eine ganz starke Aufbruchstimmung, wir haben Zuspruch zu unseren Themen - das beflügelt unheimlich. Mir ist es wichtig, dass ich ab und zu schaue, dass der Spaß für mich nicht zu kurz kommt. Ich gehe gerne in den Biergarten und wir nehmen uns jetzt zwei Tage, da gehen wir in den Steigerwald auf den Baumwipfelpfad. Und dann macht der Wahlkampf hinterher umso mehr Spaß.

Was hat Sie zuletzt in der Landespolitik am meisten geärgert?

Verena Osgyans persönliche Botschaft an die Wähler auf diesem gelben Post-it.

Verena Osgyans persönliche Botschaft an die Wähler auf diesem gelben Post-it. © privat

Osgyan: Am meisten hat mich das Thema bayerisches Familiengeld geärgert, das - gegen viele Bedenken von namhaften Juristen - eingeführt wurde und bei dem sich herausgestellt hat, dass es der Bund für Hartz- IV-Empfängerinnen und -Empfänger wahrscheinlich kürzen wird. Da wird sehr viel Geld ausgegeben, und das auch noch sozial ungerecht: Diejenigen, die es am meisten bräuchten, werden nichts davon haben. Das ist handwerklich schlecht gemacht. Und dann erdreistet sich die Staatsregierung auch noch und sagt, wir machen es trotzdem, und dann sollen Hartz-IV-Empfänger eben klagen. Das ist unglaublich.

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