Wie Nürnberg fahrradfreundlicher werden will

22.11.2012, 17:26 Uhr
Wie Nürnberg fahrradfreundlicher werden will

© Michael Matejka

Regen, Kälte, Wind oder Schnee: Der passionierte Radfahrer Alfred Seitz lässt sich davon nicht schrecken. Jeden Werktag radelt der Psychoanalytiker morgens von Langwasser zur eigenen Praxis in der Wodanstraße. Mittags geht es für eine längere Pause heim, nachmittags wieder zurück in die Südstadt. 20 Kilometer fährt der 68-Jährige jeden Tag, etwa 500 Kilometer sind es im Monat.

„Es tut mir sehr gut“, sagt der Nürnberger über seine Leidenschaft. „Ich sitze viel in meinem Beruf. Das Radfahren bringt mich in Bewegung, macht Gedanken und Geist beweglicher.“ Die frische Luft, das tägliche Fitnessprogramm, der oft nette kurze Kontakt mit anderen Radlern oder Fußgängern – darauf möchte Alfred Seitz nicht mehr verzichten. Das gilt auch fürs Private: Er und seine Frau haben sich ihr Leben so eingerichtet, dass sie problemlos auf einen eigenen Wagen verzichten können. „Wenn wir mal ein Auto brauchen, dann leihen wir uns eben eines aus.“

Doch hat Alfred Seitz einige Kritikpunkte vorzubringen – wie etwa die Dominanz des Autoverkehrs oder fehlende Abstellmöglichkeiten in der Innenstadt. „Nürnberg ist nicht unbedingt die fahrradfreundlichste Stadt“, meint der 68-Jährige, der durchaus Vergleichsmöglichkeiten hat. So hat der Nürnberger einige Jahre in Münster gelebt – und dort ideale Bedingungen vorgefunden. Kein Zufall, schließlich gilt Münster mit einem Radleranteil von 36 Prozent am Gesamtverkehr als radfreundlichste Kommune in Deutschland.

Wie Nürnberg fahrradfreundlicher werden will

© Ebinger

Davon ist Nürnberg weit entfernt – die kommunale Radverkehrskampagne „Nürnberg steigt auf“ will die Bedingungen deutlich verbessern. Der Radleranteil am Verkehrsaufkommen soll in Nordbayerns größter Stadt von elf Prozent im Jahr 2008 auf etwa 20 Prozent im Jahr 2015 gesteigert werden. Zusätzlich soll die Zahl der Unfälle gesenkt und die Verkehrssicherheit insgesamt verbessert werden.

Gefährliche Ecken

Frank Jülich, Leiter des Verkehrsplanungsamtes Nürnberg, sagt: „Radfahren ist ein Beitrag zur Gesundheitsförderung und ein Gewinn an Lebensqualität.“ Aus eigener Erfahrung weiß er, dass Radfahrer immer wieder auf gefährliche Stellen stoßen: „Ich kenne eine Stelle, wo der Radstreifen wenige Meter vor einer großen Kreuzung endet. Das ist sehr unschön.“ Die Frage „Warum hört der Radweg plötzlich auf?“ hört der Chef des Verkehrsplanungsamtes oft. Ein Grund dafür sei die finanzielle Lage. Jülich nennt ein Beispiel: „Der Servicebetrieb Öffentlicher Raum saniert eine zwei Kilometer lange Straße nur auf 300 Meter.“ Und so kommt es, dass ein Radstreifen plötzlich unvermittelt verschwindet. Doch er betont: „Wir sind froh, wenn wir zumindest einen Teil der Strecke realisieren können.“

Die Radverkehrskampagne soll die Nürnberger von den Vorteilen überzeugen: „Die Zukunft der Städte liegt im Fahrradverkehr. Wir haben damit einen Trend aufgegriffen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten sehen wir das Thema ganzheitlich.“ Das bedeutet, dass die Stadt nicht nur auf den Ausbau der Radwege setzt. Viele unterschiedliche Punkte sollen für bessere Bedingungen sorgen: Die Stadt will kurze Wege schaffen und etwa weitere Einbahnstraßen für die Radfahrer öffnen. Seit Mai 2011 ist das öffentliche Fahrradleihsystem NorisBike in Betrieb. Stadtteilverbindende Radrouten sollen ausgebaut werden.

Auch das Thema Kriminalität darf nicht unterschätzt werden. So ist im ersten Halbjahr 2012 (wie berichtet) die Zahl der Fahrraddiebstähle um 40 Prozent gestiegen: Die Diebe klauten Fahrräder aus Hinterhöfen, Garagen und Kellern. Dazu meint Frank Jülich vom Verkehrsplanungsamt ergänzend: „Die Leute fahren dann mit dem Rad, wenn sie es im öffentlichen Raum sicher abstellen können.“

Der Wille der Stadt ist groß, die Rahmenbedingungen für dieses umweltfreundliche Verkehrsmittel zu verbessern. So ist Nürnberg Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern“ – rund 40 Städte und Landkreise haben sich dieser Initiative angeschlossen. Und mit der „mobilen Bürgerversammlung“ lädt Oberbürgermeister Ulrich Maly seit Jahren die Einwohner zu Radtouren durch die Stadtteile ein.

Allerdings gibt auch Frank Jülich freimütig zu, dass die Verantwortlichen noch einige Aufgaben vor sich haben: „Stück für Stück bewegen wir uns nach vorne.“ Immerhin, so Jülich, wurden die Mittel erhöht: Die Stadt hat den Radwegebau-Etat deutlich aufgestockt, für den Zeitraum von 2010 bis 2014 stehen Haushaltsmittel von insgesamt vier Millionen Euro zur Verfügung.

Jens Ott, der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Nürnberg und Umgebung, ist von dieser Summe allerdings wenig beeindruckt: „Das hört sich nach viel Geld an – eine Million Euro pro Jahr ist allerdings nicht besonders viel.“ Ott meint aber auch: „Man muss zugestehen, dass sich in den vergangenen Jahren einiges in Nürnberg verbessert hat. Das Thema ist heute mehr im öffentlichen Bewusstsein als früher.“

Derzeit führt der ADFC seinen Fahrradklima-Test durch: Bei der größten Umfrage dieser Art kann jedermann bewerten, wie wohl er sich als Radfahrer in seiner Kommune fühlt (siehe Text links unten). Und auch Jens Ott hat schon einige Wünsche. So werden, wie er bemängelt, Radfahrer bei Baustellen im Stadtgebiet viel zu oft ausgebremst. Zudem sollte seiner Ansicht nach das Konzept für Abstellanlagen am Hauptbahnhof und im Innenstadtbereich verbessert werden.

Der Ausbau von Radwegen allein, in diesem Punkt ist sich Jens Ott einig mit Jülich, sei „kein Allheilmittel“. Und er äußert einen großen Wunsch, der sich an alle Verkehrsteilnehmer richtet: „Das Tempolimit einhalten, beim Überholen mehr Abstand halten – insgesamt mehr Rücksichtnahme im Verkehr, das würde vieles vereinfachen.“

Darüber würde sich auch der passionierte Radfahrer Alfred Seitz freuen. Er ist gerade jetzt, an den kalten und ungemütlichen Novembertagen, besonders gerne mit dem Drahtesel unterwegs: „Der Herbst ist einfach wunderbar zum Radeln. Man muss sich nur dick anziehen und eben auch auf die Blätter am Boden achten.“
 

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