Zurück aus dem Schneechaos: THW spricht über "Knochenjob"

23.1.2019, 05:45 Uhr
Einsatzkräfte des THW Nürnberg kämpften gegen die Schneemassen in Reit im Winkl.

© Sascha Müller/THW Nürnberg Einsatzkräfte des THW Nürnberg kämpften gegen die Schneemassen in Reit im Winkl.

Alle THWler sind heil und gesund zurückgekommen, sagen Lothar Hell und Heinz Dittrich. Das ist den beiden wichtig. Nicht nur, weil Hell der Sicherheitsbeauftragte des Technischen Hilfswerks (THW) in Nürnberg ist. Sondern auch, weil die beiden einen Teil der Einsatzzeit den Ladekran bedient haben, der die Nürnberger THW-Kräfte beim Schneeschaufeln auf diversen Hausdächern sicherte. Normalerweise dient dieses schwere Gerät dazu, bei Wassereinsätzen Boote aufs Wasser und zurück zu heben. In Oberbayern fungierte der Kranausleger als Fixpunkt für die Seilsicherungen der Helfer.

Für sie war der Einsatz ein Knochenjob. In Südbayern sind viele Häuser mit Satteldächern geschützt. Von 8 bis 17 Uhr auf solchen Schrägen zu stehen, kostet per se schon einiges an Kraft. Die zehnköpfige THW-Bergungsgruppe, mit der Dittrich und Hell im Bereich Reit im Winkel im Einsatz waren, arbeitete deshalb in geteilter Schicht: Fünf Ehrenamtliche für 45 bis 60 Minuten auf dem Dach, die anderen Fünf hatten Pause – und umgekehrt.

Auch das Schaufeln war nicht ohne. Vorübergehender Regen und anschließender Frost hatten den Schnee auf den Dächern zu festen Paketen verdichtet, die bis zu 500 Kilogramm pro Quadratmeter schwer waren. Mit den Schaufeln die gefrorenen Decken aufzubrechen, "war besonderes schwer", berichten die beiden THWler. "Da ist man jeden Abend froh gewesen, wenn man aus den Stiefeln herausgekommen ist."

Zumal die Nürnberger in der Grundschule von Unterwössen (Landkreis Traunstein) gut untergebracht waren. Am Ende eines Ganges konnten die sie ihre mitgebrachten Feldbetten samt privater Schlafsäcke aufschlagen. Hier war ein wesentlich angenehmerer Schlaf möglich als in den eher unruhigen Turnhallen, die bei solchen Einsätzen häufig als Massenschlafplätze dienen. Die nasse Einsatzkleidung trocknete über Nacht an den Flur-Heizkörpern. Und im Erdgeschoss der Schule war eine Verpflegungsstation aufgebaut, an der es Frühstück und Abendessen gab, bei der Anwohner immer wieder Kuchen für die Helfer ablieferten, berichten Hell und Dittrich.

Überhaupt hätten die Menschen vor Ort "sehr, sehr dankbar" reagiert. Als etwa ein Kollege im Supermarkt Knabberzeug für den Abend einkaufen wollte, übernahmen Einwohner die Rechnung. Und an so manch anderem Einsatzort durften Helfer im Lokal à la carte essen, ohne selbst zu bezahlen.

Rund 800 gefährdete Häuser gab es allein im Bereich von Reit im Winkel. Viele davon banden die Einsatzkräfte, die aus ganz Bayern herbeigeeilt waren, über längere Zeit. Dittrich und Hell sicherten ihren Bergungstrupp einen ganzen Tag lang an einem Bauernhof und zwei weitere Tage an einem anderen Gebäude - ein im Jahr 1962 erbautes Haus, an dem sich unter der enormen Schneelast bereits die Balken durchgebogen hatten.

Kein Wunder, dass zahlreiche Anwohner gleich selbst zur Schneeschaufel griffen, um ihre Hausdächer vor einem Zusammenbruch zu bewahren. Manche von ihnen bezahlten die Selbsthilfe teuer - mit schweren Unfällen, weil sie ungesichert von der durchs Schaufeln glatten Dachfläche stürzten.

Hier liegt einer von mehreren Gründen, weshalb das THW - ebenso wie anderen Hilfsorganisationen - keine unausgebildeten Helfer mit in den Einsatz nehmen. Auch diesmal gab es Anfragen von Freiwilligen, als bekannt wurde, dass die Nürnberger nach Oberbayern fahren, sagt Peter Brandmann, der Ortsbeauftragte des THW Nürnberg. Doch auch wenn es diesmal "nur" ums Schneeschaufeln ging, sei eine fundierte Ausbildung - unter anderem eben zur effektiven Selbstsicherung - unabdingbar.


+++ Liveticker: So wird das Wetter in Franken +++


Durchaus stolz sind die Nürnberger vor diesem Hintergrund, dass gleich drei ihrer Junghelfer nach der gerade abgeschlossenen Grundausbildung in Oberbayern mit im Einsatz waren. Das habe "super geklappt", sind sich Hell und Dittrich einig.

Was sich das THW Nürnberg wünscht? Peter Brandmann überlegt einen Moment. Mit rund 200 Mitgliedern, davon 120 Aktiven in drei Technischen Zügen und fünf Fachgruppen, ist Nürnberg der größte THW-Ortsverband in Bayern und einer der größten in Deutschland. Mit der Ausrüstung sei man durchaus zufrieden, so Brandmann. Zwei Gerätekraftwagen werden heuer erneuert, und auch der Austausch des 35 Jahre alten Radladers steht demnächst an. Wobei ältere Fahrzeuge durchaus ihre Vorteile hätten, weil sie mit weniger anfälliger Elektronik bestückt sind, meint der Ortsverbands-Chef.

Auch personell ist Nürnberg nicht schlecht aufgestellt. Immer wieder kommt Nachwuchs, gerade hat ein neuer Grundlehrgang begonnen, an dem neben acht Männern auch zwei Frauen teilnehmen, sagt Brandmann. "Wir sind zufrieden."

1 Kommentar