Nürnberger erzählt: So wurde er Nachtbürgermeister

23.7.2018, 06:00 Uhr
Deutschlands erster Nachtbürgermeister: Hendrik Meier aus Nürnberg.

© Benedikt Spether/dpa Deutschlands erster Nachtbürgermeister: Hendrik Meier aus Nürnberg.

NZ: Herr Meier, herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Wie kam es zu ihrer Bewerbung? Sie sind in Mannheim ja ein Zugereister.

Hendrik Meier: Ich bin seit zwei Jahren in Mannheim und hier an der Popakademie in einem Masterstudiengang eingeschrieben. Wir haben viele Kurse gehabt zu Themen wie Kulturförderung, -finanzierung und -wirtschaft. Vorher habe ich in Nürnberg vier Jahre als Veranstalter in der Desi gearbeitet in einem eher alternativen Kontext. Letzten Endes hat meine Masterarbeit, die ich in zwei Wochen abgebe, den Bogen gespannt: Darin geht es um die Veranstaltungswirtschaft der Metropolregion Rhein-Neckar, was mich mit sehr viel Aktiven der Kulturszene, der Wirtschaft und dem Bildungsbereich in Kontakt gebracht hat. Schnell war klar, das hier noch viel Handlungsbedarf besteht.

Zum Beispiel?

Meier: In Mannheim treffen auf weniger Einwohner viele Bars und Kneipen. Die Stadt hat sich in den vergangenen Jahren erfolgreich profiliert als Ausgehstadt. Aus dem Umland kommen viele Leute zum Feiern in die Stadt, wie ich in meinen Studien feststellen konnte: Die Anreisebereitschaft beträgt zwischen fünf und zehn Kilometer. Weil aber in Mannheim alles so komprimiert ist und die Entwicklung so rasant ging, bleiben Anwohnerbeschwerden nicht aus.

Wie haben Sie von der Ausschreibung erfahren und was war ausschlaggebend für Ihre Bewerbung?

Meier: Ich habe mir das angesehen, fand es sofort spannend und dachte mir: Ich probiere es einfach. Ich komme frisch von der Uni und habe gerade mal sechs Jahre als Veranstalter auf dem Buckel - das scheint nicht wahnsinnig viel im Vergleich zu über 30 Jahren Kneipenerfahrung, die einige Mitbewerber mitgebracht haben. Die Konkurrenz war schon krass. Im Endeffekt glaube ich aber, die wollten jemanden haben, der ein bisschen Weitsicht mitbringt und über den Tellerrand schaut. Mir geht es darum, alle Seiten abzuklappern und zu schauen, wo liegen die grundlegenden Dinge, die man verbessern kann - vielleicht eher in Richtung Ursachenforschung.

"Warum zieht man über eine Kneipe?" 

Wie werden Ihre ersten Schritte ab Amtsantritt aussehen?

Meier: Los geht es ab dem 1. August. Zunächst wird es darum gehen, in den Dialog zu treten mit allen Beteiligten. Dazu zählen die Stadtteilgremien, in denen die Anwohner vertreten sind. Zu denen habe ich bisher keinen Kontakt. Aber es geht auch darum, die Kneipen und Clubs kennenzulernen und mit Flyer und Visitenkarte vorstellig zu werden. Was mir besonders am Herzen liegt, ist die Initiative "refill", die es auch in Nürnberg gibt: In Bars und Kneipen gibt es kostenlos Leitungswasser - in Mannheim bei über 30 Grad eine richtig gute Sache!

Erste Reaktionen im Netz auf Ihre Wahl sind sehr positiv. Es gibt aber auch Stimmen, die auf eine strikte Einhaltung der Lärmschutzgesetze pochen und Ihre Aufgabe als überflüssig erachten. Was würden Sie so einem "Hardliner" entgegnen?

Meier: Es mag immer Menschen geben, mit denen man nicht argumentieren kann. Vielleicht geht es aber auch darum, einfach mal gehört zu werden - deswegen muss man sehr genau hinschauen und zuhören. Genau das ist jetzt mein Job. Es gibt zum Beispiel Menschen, die eben erst in das Mannheimer Szeneviertel Jungbusch gezogen sind und sich jetzt über die Lärmthematik wundern. Da stelle ich mir schon die Frage: Warum zieht man über eine Kneipe? Völlig anders sieht es bei langjährigen Anwohnern aus, die die Entwicklung von Jahr zu Jahr mitbekommen.

Sie sagten, Sie seien als Veranstalter in Nürnberg aktiv gewesen. Inwieweit ist die Situation überhaupt vergleichbar? Haben wir in Nürnberg Ihrer Meinung nach Brennpunkte?

Meier: Wo man am ehesten Vergleiche ziehen kann, ist der Bereich Hallplatz - Klaragasse - Königstraße: Das sind Hotspots, wo man vielleicht Dinge angehen kann, genauso wie am Tiergärtnertor, wo es, glaube ich, immer wieder Anwohnerbeschwerden gibt. Man hat bereits versucht, mit Mediatoren was zu machen. Einen direkten Vergleich zu ganz Nürnberg zu ziehen, ist schwierig, weil die Städte doch sehr verschieden sind und unterschiedliche Dynamiken haben. Was Nürnberg besonders macht, sind die einzelnen Stadtteilzentren, die jeweils ihren Stadtteil mit Kultur bespielen.

Im Rahmen der Bewerbung Nürnbergs als Kulturhauptstadt 2025 gibt es Bestrebungen, sich etwas einheitlicher aufzustellen - eine gute Gelegenheit, über einen Nachtbürgermeister in Nürnberg nachzudenken?

Meier: Definitiv! Ich glaube, es braucht künftig unbedingt einen Mediator, der zwischen den Akteuren vermitteln kann. Mannheim ist hier allerdings das dankbarere Pflaster, weil es so kompakt ist.

Die Fürther Gustavstraße hat es mit ihrem Lärmstreit bundesweit in die Schlagzeilen geschafft. Würden Sie es sich zutrauen, auch so einen Konflikt zu entschärfen?

Meier: Auch hier gibt es sicher kein Patentrezept. In der Gustavstraße hat man wieder diese Kompaktheit von Kneipen und Bars aneinander - man muss zwischen den Anwohnern und den Barbetreibern intensiv vermitteln. Gerade im Sommer, wenn sich das Leben im Freien abspielt, könnte man über die Förderung von Lärmdämmung für Fenster oder dergleichen nachdenken. Ich würde auf jeden Fall versuchen, darauf hinzuweisen, dass die Gustavstraße ein Aushängeschild von Fürth ist, etwas Besonderes und Schönes. Keine Stadt ist attraktiv ohne ein aktives Nachtleben.

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