Prozess gegen Mutter: Babyleichen blieben 25 Jahre unentdeckt

29.10.2014, 21:25 Uhr
Prozess gegen Mutter: Babyleichen blieben 25 Jahre unentdeckt

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Der grausame Fund schockierte die Bewohner des 1000-Seelen-Dorfes Bad Alexandersbad Ende Oktober vergangenen Jahres: Bei Erdarbeiten in der oberfränkischen Gemeinde kommen zwei verweste Babyleichen zum Vorschein, eingepackt in Plastiktüten. Rechtsmediziner stellen fest, dass die Säuglinge bereits vor mehr als 25 Jahren im Vorgarten des Anwesens vergraben wurden. Rund vier Wochen lang rätseln die Ermittler, wer die Mutter der Kinder ist. Ein DNA-Gutachten bringt die Beamten auf die Spur einer heute 53 Jahre alten Hauswirtschafterin.

Als Oberstaatsanwalt Reiner Laib am Mittwoch im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Hof die Anklageschrift verliest, hört die Frau mit gesenktem Kopf zu. Ihre Hände hält sie vors Gesicht. Sie ist wegen zweifachen Mordes ihrer Kinder angeklagt. Immer wieder schüttelt sie den Kopf und schluchzt laut auf. Angaben zu den Vorwürfen will sie nicht machen.

Angeklagte hatte bereits vier Kinder

So hören die vielen Zuhörer im Gerichtssaal nur die Version des Oberstaatsanwalts: Die Mutter von vier Kindern sei in den 80er Jahren zwei weitere Male schwanger geworden. Den neuerlichen Familienzuwachs habe sie in beiden Fällen vor ihrer Familie verheimlicht - selbst vorm Vater der Kinder, mit dem sie seit 1982 verheiratet ist.

Laib geht von niedrigen Beweggründen als Motiv für die mutmaßlichen Morde aus: Die Hauswirtschafterin habe Angst vor dem Gerede der Leute gehabt und die finanzielle Mehrbelastung durch zwei weitere Kinder nicht hinnehmen wollen. "Der Tod der Kinder war von der Angeschuldigten auch so beabsichtigt, da sie sich der Kinder entledigen wollte."

Das Schluchzen aus Richtung Anklagebank wird lauter. Immer wieder erkundigt sich der Vorsitzende Richter Matthias Burghardt nach dem Befinden der Angeklagten, bietet ihr mehrmals eine Pause an. Die Frau lehnt ab.

In Toilette zurückgelassen

Die beiden Neugeborenen habe die Frau heimlich auf der Toilette zur Welt gebracht, fährt der Oberstaatsanwalt fort. Ohne sich um den Gesundheitszustand der Babys zu kümmern oder nach deren Geschlecht zu schauen, habe sie den Jungen und das Mädchen im WC-Becken unversorgt zurückgelassen. Als die Säuglinge keine Regung mehr zeigten, habe die Frau sie zuerst in Plastiktüten gewickelt, dann in einen Schrank gelegt und später im Garten vergraben - wo sie mehr als ein Vierteljahrhundert unentdeckt blieben.

Zu den lange zurückliegenden Geburten nennt Laib sehr viele Details. Woher sie stammen, bleibt beim Prozessauftakt unklar - wahrscheinlich aber von der Angeklagten selbst: Als sie am 20. November 2013 nach einer USA-Reise am Flughafen München ankommt, klicken nach der Passkontrolle die Handschellen. Bei ihrer anschließenden Vernehmung soll sie sich umfangreich zu den Vorwürfen geäußert haben.

Wenn es nach Verteidiger Jürgen Schmidt geht, dürfen aber genau diese Angaben nicht verwertet werden: Seine Mandantin sei nach ihrer langen Reise völlig erschöpft gewesen. Vor ihrer Vernehmung sei ihr zudem kein Rechtsbeistand angeboten worden. Das anschließende Protokoll habe sie übermüdet und unter Druck unterschrieben. «Das war eine unzulässige psychische Einflussnahme», meint Schmidt. Worauf er hinaus will: Sollten die Aussagen der Angeklagten nicht rechtskonform zustande gekommen sein, stünde vermutlich hinter einem Großteil der Anklage ein Fragezeichen.

Todesursache nicht mehr feststellbar

Es ist Schmidts zweiter Versuch, die Mordanklage zu Fall zu bringen: Bereits kurz nach der Anklageerhebung im vergangenen August hatte er ohne Erfolg einen Antrag gestellt, die Hauptverhandlung wegen Mordes erst gar nicht zuzulassen. Die Obduktion der Babyleichen durch die Gerichtsmedizin habe nicht eindeutig klären können, ob die Kinder nach der Geburt tatsächlich lebten, argumentierte er damals.

"Die Schwangerschaften verliefen ohne Probleme. Beide Kinder waren zum Zeitpunkt der Geburt jeweils lebensfähig", betont dagegen Laib. Die Todesursache lasse sich allerdings nicht mehr feststellen, muss er einräumen. Der Kammer steht nun eine langwierige Beweisaufnahme bevor: Vier Sachverständige und 33 Zeugen sind geladen. Der Prozess soll am 3. November fortgesetzt werden.

Der Artikel wurde am 29. Oktober um 21.23 Uhr aktualisiert.

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