Reine Gefühlssache: Das Walberla und die Franken

14.10.2016, 18:36 Uhr
Reine Gefühlssache: Das Walberla und die Franken

© Foto: Hubert Bösl

Weder Naturschützer noch Kletterer noch Behördenmitarbeiter kennen das Walberla besser als er: Josef Hübschmann ist am Fuß des Walberla in Kirchehrenbach aufgewachsen, seine Adresse heißt „Zur Ehrenbürg“. 77 Jahre ist Hübschmann alt und tausende Male auf dem 512 Meter hohen nordwestlichen Gipfel der Ehrenbürg gewesen. „Schon von meinem Vater haben sie gesagt: ,Dem gehört das Walberla‘“, weil er jeden Tag oben war.“

In einer halben Stunde ist man von Hübschmanns Haus aus zu Fuß auf dem Gipfel und kann tun, was dort oben alle wollen: Ruhe finden und den Blick weit schweifen lassen, auf das unten sich erstreckende Forchheim, ins Untere Wiesenttal Richtung Ebermannstadt, ins Regnitztal, wo bei gutem Wetter in der Ferne Erlangen und Nürnberg und in die andere Richtung die Bamberger Altenburg zu sehen sind. Der südöstliche Gipfel, der Rodenstein, ist zwar mit 532 Metern etwas höher, hat aber nie den klingenden Namen wie „das Walberla“ erlangt.

Fledermäuse gefangen

Der pensionierte Bahnmitarbeiter weiß Dinge zu berichten, die heute schwer vorstellbar sind. Etwa vom „Holuuch“ („Hohles Loch)“, einer 75 Meter tiefen Höhle auf der Leutenbacher Seite, in der er als Kind mit Freunden die heute streng geschützten Fledermäuse gefangen hat. „So war das halt damals. Wir haben uns nichts dabei gedacht.“ Und von Skirennen, die bis in die 70er Jahre am Walberla-Hang stattgefunden haben. Mit Freunden vom Heimatverein hatte Hübschmann mit Hilfe eines alten Motorradmotors einen Skilift gebaut. „Zu den Rennen kamen die Leute aus Bamberg und Erlangen.“ Unter den Augen der Neugierigen wedelten dann „30, 40 Skifahrer“ den Berg runter ins Tal.

Verboten ist ziemlich viel

Hübschmann lacht und winkt ab. Denn heute sind so ziemlich alle der alten Vergnügungen auf der Ehrenbürg verboten, vom Skifahren ganz zu schweigen. Im Jahr 1987 wurde die gesamte Ehrenbürg als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Lagerfeuer, Zelten und Picknicken ist ebenso untersagt wie Hunde frei laufen zu lassen, Modellfliegen oder mit Fahrrädern hinauf zu fahren. Die Kletterer dürfen inzwischen ausschließlich bestehende Routen am Rodenstein nutzen. Genau genommen darf man auf die Ehrenbürg nur noch hochgehen und runter schauen.

Reine Gefühlssache: Das Walberla und die Franken

© Foto: Roland Huber

Vor allem die Halbmagerrasen auf der mit Schafen beweideten Fläche sind der Grund: Auf ihnen wachsen zahlreiche seltene Pflanzen wie das „Harzsche Habichtskraut“, an den Hängen gedeiht die extrem seltene Fränkische Mehlbeere. In den alten Obstgärten auf der Südwestseite nisten seltene Vogelarten wie der Neuntöter oder alle vier Arten der Grasmücke. Hübschmann weiß die Flora und Fauna zu schätzen. „Da gehen wir nicht hin, da wachsen viele Küchenschellen“, weist er beim Spaziergang hoch aufs Walberla einmal an.

Der umfassende Schutz zeigt Wirkung. Zuständig für die Durchsetzung ist die Regierung von Oberfranken. Manfred Scheidler, Artenschutzreferent in der Bayreuther Behörde, kennt allerdings auch die Probleme am Walberla: „Die Mountainbiker etwa, die bekommen wir kaum in den Griff. Und es wird eher schlimmer durch die E-Bikes.“ Auf Scheidlers Tisch landen die Anträge von Bürgern und Firmen, die die Ehrenbürg als Kulisse nutzen wollen: für Unternehmensfeiern, für Hochzeiten, für eine Silvesterparty oder seit neuestem für Drohnenstarts. Die meisten Anträge werden abgelehnt.

Fest ist die große Ausnahme

Eine große Ausnahme gibt es freilich: Das Walberlafest am ersten MaiWochenende mit Wurstbuden, Schiffsschaukel und Bierzelten. Selbst die strengsten Naturschützer werden hier bei einer Maß gesehen. Schließlich ist das Fest mehr als 700 Jahre alt und geht auf die Wallfahrten zur Walburgiskapelle zurück. Neben dem Staffelberg gilt die Ehrenbürg als weiterer „Heiliger Berg der Franken“.

Kirchehrenbachs Bürgermeisterin Anja Gebhardt weiß um die so fröhlich gelebte Schizophrenie, sagt aber auch: „Seit sich Behörden, Vereine, Schausteller und Naturschützer vor dem Fest an einen Runden Tisch setzen, ist es besser geworden.“ Sensible Bereiche sind für die Festgäste abgesperrt, die Parkplätze in der Nähe wurden aufgelassen. „Es kommen sowieso weniger Gäste als früher“, meint Gebhardt. Früher sei das Walberlafest weit und breit der Höhepunkt am 1. Mai gewesen, jetzt wimmele es nur so von Festterminen.

Anja Gebhardt bezeugt die besondere Liebe der Einheimischen zu ihrem Berg: „Wenn ich aus dem Urlaub heimkomme und ich sehe das Walberla, dann ist der Schmerz, dass der Urlaub vorbei ist, nur noch halb so groß.“ Ganz ähnlich hat Josef Hübschmann seine Zuneigung zu seinem Hausberg beschrieben. Zur Problematik des Mai-Rummels auf dem Berg zuckt er die Schultern: „Früher haben die Bauern jedes Jahr Pflöcke in die Erde gerammt und Bretter drübergelegt. Biergarnituren gab es noch nicht.“

An eine Verfehlung erinnern sich dagegen bis heute alle: In einer Nacht-und Nebel-Aktion ließ der Vorgänger von Anja Gebhardt einen Teil des Hauptweges 2010 asphaltieren, weil der Schotter bei Regen stets ausgewaschen wurde. Natürlich verboten im Naturschutzgebiet, weswegen der Ex- Bürgermeister ein Strafverfahren am Hals hatte. Gegen eine Zahlung von 3000 Euro wurde es eingestellt. Den Weg gibt es bis heute, und nicht wenige sind froh über die Erleichterung bergauf.

Der Tagesausflügler weiß von dem einst hitzigen Streit um den Weg meist nichts. Unbekannt ist vielen auch die bis in die Spätbronzezeit zurückreichende Siedlungsgeschichte der Ehrenbürg. Im 4. Jahrhundert vor Christus war hier nach Forschungen der Archäologen die bedeutendste Stadt Bayerns mit mehr als 6000 Menschen, umgeben von einer Befestigungsanlage. Schmuck und Gebrauchskeramik aus dem Mittelmeerraum zeugen von weitreichenden Handelsbeziehungen der keltischen Ehrenbürgbewohner.

Im Forchheimer Pfalzmuseum ist eine von ihnen zu bewundern: Hier ist das ausgegrabene Skelett einer „kräftigen, älteren Frau“ aus dem 6. Jahrhundert vor Christus zu sehen, die in der Ehrenbürg-Siedlung bestattet wurde. Auch sie wird einmal den Blick ins weite Umland des Walberla genossen haben. Wie Josef Hübschmann und die vielen anderen Walberla-Liebhaber.

Das Pfalzmuseum Forchheim bietet in der Archäologischen Staatssammlung einen eigenen Raum zur Geschichte der Ehrenbürg, geöffnet bis Ende Oktober, Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr, danach siehe www.forchheim.de/content/pfalzmuseum-forchheim

Am Sonntag, 16. Oktober, laden 14 Brennereien und drei Brauereien am Walberla zum Schauen und Probieren ein. Von 10 bis 17 Uhr besteht die Gelegenheit, in elf Ortschaften rund um den Tafelberg edle Destillate und süffiges Bier zu genießen.

Zum Programm des 14. Tags der offenen Brennereien und Brauereien gehören sowohl das Einmaischen als auch das Schaubrennen in allen Betrieben und die Besichtigung von Brauanlagen. Ausstellungen über Obstsorten, Pressen von Apfelsaft, Führungen durch die Obstanlagen und Kutschfahrten runden das Angebot ab. Ein Bus-Shuttle, der auf die An- und Abfahrtszeiten von und nach Nürnberg und Bamberg abgestimmt ist, startet am Bahnhof Forchheim ab 9.45 Uhr und fährt alle Ortschaften im Stundentakt an. Infos über Wanderwege unter www.schnaps-brennerei.com

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