An der Seite von Ölscheichs und Filmstars

24.9.2010, 09:02 Uhr
An der Seite von Ölscheichs und Filmstars

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Bei den Dreharbeiten zum Film „Ghostwriter“ mit Pierce Brosnan zeigte Andreas Gütig im Februar Regisseur Roman Polanski, wie „echte“ Bodyguards arbeiten (wir berichteten). Im wahren Leben bringt der gelernte Bäcker und Zweiradmechaniker, ehemalige Zeitsoldat und ausgebildete Detektiv nun Nachwuchs-Leibwächtern sein Handwerk bei. In Mönchengladbach hat er neben seiner Firma „Murana Security“ eine Bodyguard-Schule eröffnet, im Raum Roth soll bis Mitte 2011 eine zweite folgen.

„Hochgradig ausgebildet und sehr unscheinbar“ sollen Gütigs Schüler einmal sein. Der drahtige Rheinländer war Nahkampftrainer bei der Bundeswehr. Als Detektiv kann er nach dem Film- und diversen Fernsehauftritten nur noch im Hintergrund agieren – sein Gesicht ist zu bekannt. Seine Erfahrung hilft ihm aber auch als Leibwächter-Lehrer weiter.

„Knallharter Job“

Die Ausbildung seiner Schützlinge dauert bis zu drei Monate. „Es ist ein toller Job, aber auch knallhart“, warnt Gütig. Wer ihn lernen möchte — und an Bewerbungen mangelt es nicht —, muss eine gehörige Portion Fitness und Durchhaltewillen, Kampfsporterfahrung, gepflegte Umgangsformen und eine gefestigte Persönlichkeit mitbringen. Gute Voraussetzungen sind militärische Vorkenntnisse, Fremdsprachen sowie ein Grundverständnis für Kommandostrukturen, Taktik und Waffen. Reine Muskelprotze und Schlägertypen haben keine Chance.

„Haben wir einen solchen Rohdiamanten gefunden, schleifen wir ihn“, erklärt Gütig. Dabei ist „schleifen“ noch milde ausgedrückt: Neben viel Theorie, Schießen auf bewegte Ziele im „Schießkino“ und Fahrertraining in einer gepanzerten Vier-Tonnen-Limousine werden die „Lehrlinge“ körperlich und mental an ihre Grenzen geführt. Gut genug ist erst, wer nicht nur in voller Montur und mit einem Bewusstlosen in Anzug und Wintermantel im Schlepptau zwei 50-Meter-Bahnen schwimmen kann, sondern danach noch einmal ins Wasser springt, um auch seinem Teamkollegen zu helfen. Etwa 50 Kandidaten stehen dieses Training jährlich durch. Mehr sollen es auch nicht sein, denn Gütig setzt „auf Qualität“, und die Nachfrage nach solchen Spezialisten ist begrenzt. „Deshalb sind die anderen nur Türsteher“, bringt der Bodyguard-Lehrer die Hackordnung auf den Punkt. Seinen Absolventen könne er dagegen mit größter Sicherheit lukrative Stellen vermitteln. Besonders stolz ist er darauf, dass seine Schule sogar von der Arbeitsagentur mit Bildungsgutscheinen gefördert wird.

Die typischen Bodyguard-Klischees vom finster blickenden „Kleiderschrank“, dem schießwütigen Actionhelden und der Präsidenten-Eskorte im schwarzen Anzug mit Mikrofon im Ohr kennt Gütig gut. „Wir sind die mit dem Knopf im Ohr“, meint er schmunzelnd. Die Zwei-Meter-Gorillas seien dagegen „nur zur Abschreckung und fürs Image gut“.

Anzug und Krawatte gehören allerdings ebenso zum Auftreten der Leibwächter wie Jeans und Turnschuhe. Manchmal besteht ein Team sogar aus beidem: Die Anzugträger ziehen Angriffe auf sich, während ein zweites Kommando in Zivil den eigentlichen Personenschutz leistet.

Schwierigster Part eines Einsatzes, der vom Einkaufsbummel eines Milliardärs über einen Staatsbesuch bis hin zur mehrwöchigen Begleitung eines Ölscheichs samt Hofstaat reichen kann, ist jedoch nicht das Bewachen, sondern die Planung. „Aufklärung und das Wissen um die zu schützende Person und deren Feinde können den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen“, betont Gütig. So gibt es ein Vorauskommando, das diskret das Hotel auskundschaftet, Routenpläne erstellt, Genehmigungen für Waffen und Fahrzeugkonvois erwirkt und die Behörden informiert.

Auch um Blutkonserven kümmert sich das Team. Das eigentliche Schutzkommando ist dann „rund um die Uhr an der Person dran“. Für gepanzerte Fahrzeuge, Schutzwesten oder sogar einen Evakuierungs-Hubschrauber sorgen weitere Mitarbeiter. „Außerdem gibt es immer einen Plan B“, sagt Gütig. „Das ist lebensnotwendig.“ All das müssen seine Schüler lernen.

Zunehmend Frauen gefragt

Zunehmend sind in dieser Männerdomäne heute auch Frauen gefragt. Sie werden beim „Kid-Guarding“ eingesetzt, holen also reiche Sprösslinge von der Schule ab und fungieren bisweilen als Kindermädchen.

Die weiblichen Leibwächter in Gütigs Agentur betreuen aber noch eine andere Klientel: die Frauen und Töchter wohlhabender Araber, denen sich fremde Männer nicht nähern dürfen.

Bei den arabischen Fürstenhäusern hat der Eckersmühlener ohnehin einen Stein im Brett. So hat er bereits die Familie des Scheichs von Abu Dhabi betreut und ist persönlicher Bodyguard des Premierministers der Vereinigten Arabischen Emirate. „Vertrauen und Diskretion sind hier besonders wichtig“, weiß er. „Einem Personenschützer wird viel anvertraut, und oft entwickelt sich ein enges Verhältnis.“ Ebenso müssen die angehenden Leibwächter aber mit den Allüren von Stars und Neureichen umgehen lernen.

Und auch der bedingungslose Einsatz von Leib und Leben will geübt sein: „Der Klient bezahlt dafür, dass wir uns vor ihn stellen.“ Dazu ist laut Gütig eine besondere Einstellung nötig. „Die zeigt sich während der Ausbildung — oder nicht.“

„Wir sind keine Söldner“

Manchmal schießen die Bodyguards dann auch zurück, und in Kriegsgebieten wie dem Irak durchaus mit schweren Waffen. „Wir sind aber keine Söldner“, betont Gütig. „Mir sind Aufträge ohne Waffe lieber. Wer schießt schon gern auf Menschen?“

Von seiner Tochter versucht der Eckersmühlener die Gewalt möglichst fernzuhalten. Obwohl Ehefrau Margherita in der Detektei mitarbeitet, ist der Beruf zuhause kein Thema. Und auch für die Presse, die sich nach wie vor rege für Gütigs Arbeit interessiert, sind Fotos tabu. „Die Gegenseite ist oft genauso gut und manchmal besser organisiert als wir“, erläutert er. „Und bei einer Gefahr für meine Familie wäre ich erpressbar und damit ein Sicherheitsrisiko.“