Barrieren im Landkreis Roth sollen weniger werden

20.11.2015, 17:56 Uhr
Barrieren im Landkreis Roth sollen weniger werden

„Was die Barrierefreiheit angeht, haben wir bereits viel umgesetzt“, so Landrat Herbert Eckstein. Über „capito“ stehe dem Landkreis jetzt aber ein Handwerkszeug zur Verfügung, das eine objektive Beurteilung auf der Basis von klar definierten Standards erleichtere. Darüber hinaus „gibt es immer wieder Fälle, wo uns als Nicht-Betroffene Probleme erst gar nicht bewusst sind.“ Vor diesem Hintergrund ist Eckstein davon überzeugt, dass die Mitarbeit des Rother Inklusionsnetzwerkes dieses Bewusstsein weiter schärft und hilfreiche Hinweise geben kann.

RHINK-Vorsitzender Paul Rösch hatte beim Angebot des Landkreises, in die Partnerschaft aufgenommen zu werden, spontan zugesagt. „Jetzt haben wir die Chance, uns mit unseren Erfahrungen, die wir bedingt durch unsere eigene Lebenssituation haben, in den weiteren Prozess für einen barrierefreien Landkreis einzubringen.“ Damit „wird hier nicht nur für Menschen mit Handicap gearbeitet werden; sondern mit ihnen.“

Barrierefreiheit gibt es natürlich nicht von heute auf morgen. Das ist ein langer Prozess. Beispiel Freizeit und Kultur: Schon Ende der 1980er Jahre gehörten Behinderten-WCs zur Grundausstattung der Strandhäuser am Rothsee. Mit der wachsenden Bedeutung des Sees als Freizeiteinrichtung folgten weitere Investitionen: Der Bau der behindertengerechten Segelheime für Auhof und Regens-Wagner, die Rollstuhlrampe am Grashofer Strand und als jüngstes Projekt der in diesem Jahr neu angelegte, für „Rolli-Fahrer“ gut erreichbare Spielplatz am Seezentrum Heuberg.

Beispiel Hoch- und Tiefbau: Bei Ausschreibungen des Landkreises ist die „Barrierefreiheit“ für Geh-, Hör- und Sehbehinderte fester Bestandteil in der Aufgabenbeschreibung. Induktionsschleifen, Räume mit eigener Inklusionsakustik, Treppenlifte, Rampen und Behinderten-WCs werden bei Sanierungen nachgerüstet und in Neubauten von Anfang an installiert.

Bereits 2009 wurden in Kooperation mit dem Pflegestützpunkt des Landkreises alle zehn vorhandenen Bahnhöfe in punkto „Barrierefreiheit“ überprüft. Der Landkreis wolle laut Eckstein „mit gutem Beispiel voran gehen“, wolle selbst Impulse geben und sei im selben Maß offen für Anregungen von außen. „Die grundsätzliche Bereitschaft, die Barrierefreiheit voran zu bringen, ist vielerorts da.“ Manchmal fehle es einfach nur am entscheidenden Hinweis.“

Jetzt hat sich der Landkreis mit der Vertragsunterzeichnung für zwei Jahre die Dienste von „capito Nordbayern“ gesichert. „capito“ hat sich unter anderem auf das Texten und Gestalten in „leichter Sprache“ spezialisiert – kein leichtes Unterfangen, wenn es um Gesetzestexte geht. „capito“ versteht sich auch als Netzwerk, das seine Informationen im Schneeballsystem weitergeben möchte.

Darüber hinaus gehört „CEDOS“ zum zweijährigen Vertragspaket. CEDOS ist ein von „capito“ entwickeltes Dokumentations-System, mit dessen Hilfe sich Gebäude, Tourismus- und Freizeitangebote nach einem genau vorgegebenen Raster im Hinblick auf Barrierefreiheit untersuchen lassen. Sowohl in der Planungsphase als auch an bestehenden Objekten – um dann gegebenenfalls nachbessern oder umplanen zu können.

„Mit CEDOS kann sich der Nutzer immer auf gleiche Standards trotz unterschiedlicher Nutzung verlassen“, erläuterte Stephanie Stöckl, die Rummelsberger Projektkoordinatorin. Sie stellte das weitere Maßnahmenpaket für den Landkreis vor:

Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden Mitarbeiter des Landratsamtes und Mitglieder des Inklusionsnetzwerkes, in dem bisher zehn der 16 Landkreisgemeinden mit eigenen Ansprechpartnern vertreten sind, geschult; sowohl in „leichter Sprache“ als auch für den Blick auf mögliche Barrieren im Alltagsleben für Menschen mit Behinderung und im Umgang mit „CEDOS“. Außerdem wird „capito“ die ersten Gebäudeuntersuchungen, die zunächst beschränkt sind auf landkreiseigene Gebäude, fachlich begleiten.

Wie wichtig eine objektive Beurteilung ist, konnten Rösch und Elfriede Meyer, die Blinden- und Sehbehindertenbeauftragte des Landkreises, an einem Beispiel plastisch festmachen: Rösch schätzt mit seiner Gehbehinderung abgesenkte Bordsteine an Ampeln – was sich wiederum für einen blinden Menschen wie Elfriede Meyer verhängnisvoll auswirken kann, wenn besagte Ampel ohne akustisches Signal ausgestattet ist.

Diskrepanzen, die im Alltagsbild des Landkreises immer mehr die Ausnahme sein werden. Dank gebündelter Kompetenzen. Darin waren sich Landrat, capito-Koordinatorin und RHINK-Sprecher einig.

Keine Kommentare