"Carmina Burana" als wuchtige Schicksals-Welle

27.10.2014, 16:02 Uhr

© Foto: Tschapka

Seit Pfingsten habe man geprobt, erklärte Wedel nach dem Konzert beim Bad in tosendem Applaus. Eine lange Vorbereitungszeit, die angesichts der schieren Dimensionen des für die „Lieder aus Beuren“ versammelten Ensembles freilich nicht verwundert: Der Kammerchor Roth, die Berliner Kantorei Alt-Tempelhof und ein Projektchor mit Mitwirkenden aus dem gesamten Landkreis Roth wurden von Schülerchören aus den Gymnasien Roth und Wendelstein verstärkt. Dazu kamen die Greiz-Reichenbacher Vogtland-
Philharmonie sowie Angelika Lohse und Katja Lobenwein an zwei Klavieren.

Vorgeschaltet hat Klaus Wedel das programmmusikalische Märchen „Peter und der Wolf“ aus der Feder des Russen Sergej Prokofiev, das die Vogtland-Philharmonie mit seidigem Orchesterklang und geschärften Akzenten umzusetzen versteht; Ralf Ahlborn gibt so unaufgesetzt wie punktgenau den Erzähler. Für die „Carmina Burana“ wird tief Luft geholt – und dann ein über einstündiges Furioso inszeniert. Wedel ist kein Freund überhitzter Tempi. Dafür kommt der einleitende „O Fortuna“-Chor mit maximaler Wucht daher: Der Welle des Schicksals, die hier aufgebaut wird, kann sich niemand entziehen, ob Pfaffe oder Edelmann, Hure oder Jungfrau.

Ein grelles Mittelalter-Panorama, das Wedel und Co. gleichwohl in differenziert abgetönten Farben zu malen wissen. Nicht effekthascherisch, nicht vordergründig, sondern hinterfragt und manchmal auch doppelbödig. Der Mönch, den der Bass Thomas Gropper als sonore Glaubens-Instanz anlegt, erweist sich als haltloser Säufer, der sich am Dirigenten abstützen muss, um nicht umzufallen.

Reiner Geißdörfer verzichtet als jammernder Vogel am Spieß auf Tenorglanz und vokale Brillanz und geriert sich lieber als quäkender, schriller Singdarsteller – ein Kabinettstück, das den Geist jener überzeichneten Kneipen-Szene kongenial wiedergibt.

Die Rolle der großen Dame obliegt Silke Mändl, die beim großen „Cour d'amour“ die lyrische Seite ihres schön timbrierten Soprans betont, Noblesse demonstriert und mit stupender Leichtigkeit Spitzenton-Glanzlichter anzündet.

Eigentlicher Star ist allerdings das nachgerade riesige Chorensemble, das viel Druck machen kann und dennoch flexibel und luftig wirkt. Eine berückend klingende Absage an die abwegige Idee, dass man die „Carmina Burana“ auch mit kleiner Besetzung aufführen könnte. Dieses Werk braucht den großen Apparat, um seine emotionale Sprengkraft zu entfalten. In Roth reißen die „Carmina Burana“ mit, überwältigen – und resonieren noch ganz lange im Gedächtnis nach. Das Schicksal, es hat Gnade walten lassen.

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