Philipp Weigand spielt am Nürnberger Staatsschauspiel

24.10.2014, 18:37 Uhr
Philipp Weigand spielt am Nürnberger Staatsschauspiel

© Foto: Marion Bührle

Klischee als Aperitif gefällig? Philipp Weigand lässt die Schultern ein wenig sinken, saugt am Strohhalm seiner Rhabarberschorle und seufzt kaum merklich. Er scheint zu wissen, was jetzt kommt: Schauspieler sind...

„Wäre doch schade, wenn man uns alle in ein Raster stecken könnte“, sagt er schließlich in freundlich-jungenhafter Manier – und fügt an: „Divenhaft? Durchgeknallt? Ich glaube, diese Vorurteile kommen zustande, wenn die Leute vergessen, welche psychischen und physischen Anstrengungen wir leisten.“

Für den Augenblick wirkt der 28-Jährige jedoch entspannt. Die Sonne scheint auf den Caféhaus-Tisch, zur Premiere ist´s noch ein Weilchen hin, die morgendliche Probe liegt just hinter ihm, und dennoch... - „rastlos entspannt“ treffe es wohl besser.

Stillstand, Langeweile? „Geht gar nicht!“, gibt Philipp Weigand zu. Das sei sicher auch ein Grund, weshalb er 2013 an die Profi-Schauspielerei noch ein akdademisches Kunststudium drangehängt habe.

„Ich bin ständig auf der Suche nach Herausforderungen, gerne auch mal Überforderung“, heißt Weigands Credo. Hakt man erstaunt bei seinem Vater Ingbert nach, so ergänzt der anerkennend: „Unser Sohn wusste immer, was er wollte...“.

Geboren wird Philipp Weigand am 4. April 1986 als zweites Kind eines Gymnasiallehrers und einer Angestellten. Er besucht die Gredinger Grundschule und verschlingt – sobald er des Lesens mächtig ist — „alle Bücher, die ich in die Finger kriege“. Außerdem spielt er „gerne mal den Klassenclown“.

Solch´ kreatives Potenzial macht sich der Schüler am Gymnasium Hilpoltstein zunutze – in der Theatergruppe von Gerhard Meyer. „War ´ne coole Truppe damals, wir alle haben das mit dem Spielen sehr ernst genommen“, erinnert sich Weigand gerne daran, wie eine Leidenschaft erwachte...

Zu eben jener Zeit erfährt er von der Option, dem Jugendclub des Nürnberger Staatstheaters beizutreten – und tut es. „Ab da habe ich jede freie Minute am Schauspielhaus verbracht.“ Praktika und Hospitanzen inklusive. Kein Wunder also, wenn ein Flämmchen schon bald als Feuer in ihm lodert: Er will Schauspieler werden!

Obwohl „mäßig begeistert“ – zumal Philipp Weigand 2005 ein „nicht ganz schlechtes Abitur“ baut — unterstützen die Eltern den Sohn. Noch während seiner Zivildienstzeit beim LBV startet er somit den obligatorischen „Vorsprechmarathon“ an verschiedenen Schauspielschulen: Berlin, Leipzig, Salzburg, München, Bochum.

Doch es soll fast zweijähriger Mühen bedürfen, bis der Daumen endlich hochgeht: Als einer von acht Eleven aus über 800 Bewerbern darf der Franke das Studium anno 2007 in Bochum antreten.

Den Körper sprechen lassen

Hier lernt er „von der Pike auf, wie man sich verwandelt“. Vor allem der Körper rückt als Ausdrucksmittel in den Fokus: Akrobatik, moderner Tanz, Fechten, Clownerie. . . - und Philipp Weigand ist gut.

So gut, dass er zum Abschluss seiner vierjährigen Ausbildung gleich zwei Mini-Rollen am Bochumer Schauspielhaus ergattert. Eine „inspirierende Erfahrung“: Alleine der Blick von der Bühne in den Zuschauerraum - „atemberaubend, da leckt man sowas von Blut...“

Auf „40 bis 50 Bewerbungen“, die er im Anschluss losschickt, folgen: ein Filmdreh fürs ARD-Weltkriegsdrama „Die Männer der Emden“, ein Engagement bei den Bad Hersfelder Festspielen und letztlich auch das Wohlwollen des Nürnberger Chefdramaturgen Horst Busch. Der entdeckt den Gredinger bei einem Gruppenvorsprechen in Neuss – mit der Konsequenz, dass Philipp Weigand 2011 zum festen Ensemblemitglied des Nürnberger Staatstheaters wird.

Inzwischen kennt man sein Gesicht am Richard-Wagner-Platz recht gut: Im „Tod eines Handlungsreisenden“ etwa, als melancholisch-tollpatschiger Lum in „Einige Nachrichten an das All“ oder mit seiner Paraderolle des Brad Majors („Rocky Horror Show“) spielt sich der junge Mime ins Zuschauergedächtnis. Außerdem gab´s kürzlich für die Blue Box-Produktionen „Winnetou“ und „Best Of Nibelungen“ den Ensemblepreis des Fördervereins.

Ob er demnach angekommen sei? „Ankommen. Das sind nur Momente. Momente, die den Blick weiterlenken sollten“, meint Philipp Weigand bestimmt. Und obschon er die Vorzüge seines Festengagements zu schätzen wisse, werde er der Frankenmetropole sicher nicht ewig treu bleiben. Weiterziehen, sich entwickeln. Das gehöre ebenso zum Job wie Arbeits(un)zeiten, kleine Gagen — und die Angst.

Ja, die Furcht „vor dem Moment des Sich-ins-Spiel-Begebens“, die Bangigkeit, „nicht in die Spur zu finden“ seien stete Begleiter. Manchmal merke man nach der Hälfte der Szene: „Mist, der Zug ist abgefahren – ohne mich! Dann schaut man sich beim Hinterherhecheln zu“. Auch das hat Philipp Weigand schon erfahren müssen.

Und doch sei es gerade jenes „Restrisiko zu scheitern“, das den Reiz des Theaters ausmache: „Die Angst, auf die Fresse zu fallen, ist besser, als ein Gefühl zu haben, dass alles glatt läuft“. Sein Glaubenssatz laute mithin: Sich nicht in Sicherheit zu wähnen, nie — das generiere Potenzial.

Wenn Philipp Weigand heute Abend als junger Polizeiaspirant Tuserkani die Geschichte des Wiener Hackenmörders miterzählt, der „Aus Liebe“ Frau und Kinder tötete, dann lässt er dieses „Restrisiko“ also mitschwingen. Überzeugt. Denn nur auf diese Weise könne er — der „Empathie-Missionar“ — auch etwas ins Publikum transportieren.

Um Selbiges zu gewährleisten, liegen bereits anstrengende Wochen hinter ihm. Wochen, für die er dankbar ist: „Ich mag es, wenn man bei den Proben in einen Rausch, einen Strudel kommt, sich in einen Erschöpfungszustand reinarbeiten darf“. Mit jungen Regisseuren wie Markus Heinzelmann, aber auch Stefan Otteni oder Sascha Hawemann ginge das. „Es sind neue Kaliber. Da bleibt´s spannend in Nürnberg“, garantiert Weigand.

Schnell akzeptiert

Andererseits schätze er das „angenehme Klima“ am Haus, welches er vor allem den erfahrenen Theatermachern zuschreibt: „Ich persönlich durfte mich da schnell akzeptiert fühlen“.

Gut so. Denn für Philipp Weigand bringt die aktuelle Spielzeit einiges an Arbeit mit: Vier Wiederaufnahmen, einige Neuproduktionen, in denen er spielt.

Nicht zu vergessen: sein „Paralleluniversum“ - das Kunststudium in Eva von Platens Akademie-Klasse, mit der Philipp Weigand neulich ebenfalls einen Preis gewonnen hat. Die Erwartungen sind allenthalben hoch.

Doch der Gredinger winkt ab: „Ich finde eher, das befruchtet sich gegenseitig total“. Nein, ihm werde es da überhaupt nicht zweierlei. Gemischte Gefühle hat nur einer: „Wenn der eigene Sohn auf der großen Bühne steht“, sagt Philipp Weigands Vater stolz, „dann läuft´s einem schon eiskalt den Buckel runter“. Ganz so, wie’s sein soll...

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